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Der Hase aus Amerika und andere Beziehungskisten (German Edition)

Der Hase aus Amerika und andere Beziehungskisten (German Edition)

Titel: Der Hase aus Amerika und andere Beziehungskisten (German Edition)
Autoren: Nicole Schröter
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    In der kleinen Straße waren schon alle schlafen gegangen Nur
in einem der Häuser brannte. noch Licht.
    Es war Lilly. Sie saß in ihrem Lieblingssessel am Fenster.
Die Beine angezogen, hatte sie sich in eine Wolldecke gekuschelt. Sie starrte
in das Licht der Kerze, die auf einer massiven alten Eichenkommode stand.
Gelegentlich nippte Lilly an einem Becher, den sie mit beiden Händen
umschlossen hielt. Sie versuchte ihre Finger an dem dampfenden Kräutertee zu
wärmen. Vergeblich! In Lilly hatte sich eine Kälte ausgebreitet, die durch
nichts zu vertreiben war. Als John gegangen war, hatte er eine tiefe Leere in
ihr hinterlassen. Sie fand weder Hoffnung, noch Wärme mehr.
     
    Beinahe zwei Monate war es nun her, dass John fort war.
Seitdem waren der Schmerz des Verlustes und eine Kälte, die von ganz tief in
ihr kam, ihre ständigen Begleiter.
    Die Tage vergingen rasch. Lilly ging ihrer Arbeit im
städtischen Krankenhaus nach. Manchmal traf sie die eine oder andere Freundin,
die ihr gut zuredete und ihr sagte, sie könne nur froh sein, ein liebloses
Geschöpf wie John noch rechtzeitig losgeworden zu sein. Sie hätten von Anfang
an nicht zueinandergepasst.
     
    Nur an den Abenden, wenn Lilly in ihrer, einst ihrer beider,
Wohnung stand und nicht wusste, in welchem Zimmer sie sich aufhalten konnte,
ohne an den Verlust ihres Mannes denken zu müssen, gab es niemanden, der ihr
half.
    Ihre Wohnung geschmackvoll und komplett eingerichtet, aber
auch wenn Lilly die kahlen Stellen, die John hinterlassen hatte, rasch durch
neue ersetzt hatte, konnte ihr inneres Auge es nicht lassen, ihr immer wieder
das Bild aus der Vergangenheit aufzuzeigen. In welchen Raum sie auch ging,
überall sah sie die Dinge, die nicht mehr da waren, die Gegenstände, die sie
nie gemocht hatte.
    Immer wieder hatte sie versucht, John auf die eine oder
andere Weise dazu zu überreden, sich von den ihm so wichtigen Requisiten seines
Vorlebens zu trennen.
     
    Lilly nahm einen weiteren Schluck Tee. Er wurde langsam
kalt. Ihr Blick löste sich von der Kerze und verweilte auf der Eichenkommode.
Sie liebte diese Kommode. Für viel zu viel Geld, wie John gefunden hatte, hatte
Lilly sie auf einem Flohmarkt erstanden. Es war ein Sonntag Nachmittag im
Winter gewesen. Lilly hatte John dazu überredet, mit ihr dorthin zu gehen. Sie
liebte Dinge aus längst vergangener Zeit. Sie versetzten sie in eine Stimmung
angenehmer Sehnsucht.
     
    John schätzte mehr das Schlichte und Nützliche. So hatte in
ihrem einst gemeinsamen Zuhause nicht alles zusammengepasst. Aber war dies ein
Beweis dafür, dass John und Lilly eigentlich nie zusammengepasst hatten?
    Lilly hatte John in dem kleinen Supermarkt an der Ecke
kennengelernt. Er hatte seinen Einkaufswagen, gefüllt mit Tiefkühlpizza,
Dosensuppen, Schokoladentafeln und ein paar Flaschen Bier durch die schmalen
Gänge gezwängt, während sie noch schnell vor Arbeitsbeginn mit ihrem selbst
geflochtenen Einkaufskorb die Gemüsetheke geplündert hatte. Den vollen Korb
unter dem Arm, war sie Richtung Kasse geeilt, an ihm vorbei. Eine der langen
Porreestangen, die aus ihrem Korb ragten, musste an John hängen geblieben sein.
Der Korb war ihr aus dem Arm gerutscht und das frische Gemüse hatte sich über
seine Fertiggerichte verteilt. Da erst hatte Lilly John richtig angesehen. Er
hatte rotbraunes Haar, das ein wenig ungekämmt von seinem Kopf abstand. Er trug
eine alte Jeans. Die Jacke stand offen, ein kunterbunter Schal war lässig um
seinen Hals geschlungen.
     
    Lachend hatten sie das Gemüse wieder in ihren Korb sortiert,
und als sie schon gehen wollte, hatte er sie für den nächsten Abend auf ein
Bier eingeladen. Ein halbes Jahr später war er bei ihr eingezogen.
     
    Lilly hatte nie so frei und ungezwungen sein können, wie
John. Sie hatte ihn dafür bewundert und gleichzeitig versucht, ihn zu zähmen.
Hatte sie anfangs bereitwillig mit ihm neue Lebenseindrücke gesammelt, versucht
Gefallen an seiner Art zu leben zu finden, so hatte sie mit der Zeit unbewusst
immer häufiger versucht, es ihm zu Hause gemütlich zu machen. Sie hatte ihn
bekocht. Sie hatte sich seiner legeren Kleidung angenommen, die als bald nie
mehr ungebügelt herumlag. Lilly hatte nie wirklich verstanden, warum er dieses
Bemühen nicht recht hatte wertschätzen können und zum Teil sogar moniert hatte.
     
    John war mit der Zeit ruhiger geworden. Lilly empfand das
als angenehm. Es gab ihr Sicherheit, wenn er viele Abende mit ihr
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