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Toedlicher Blick

Titel: Toedlicher Blick
Autoren: John Sandford
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Korrekturaufforderung zustellen sowie eine Kopie für seine Personalakte anfertigen.
    »
Niemand
hat das Mitteilungsblatt der vergangenen Woche gelesen, Charlotte«, fauchte Qatar zurück. Seine Reputation als Wissenschaftler mit entsprechenden Veröffentlichungen berechtigte ihn dazu, mit dieser Frau barsch umzugehen. »Kein Mensch liest jemals das Mitteilungsblatt, denn dieses Blatt ist, um es mit einem Wort des anbetungswürdigen Sartre auszudrücken,
Scheiße
. Außerdem hatte ich am Donnerstag und Freitag Urlaub, was Sie wissen müssten, wenn Sie das Memo gelesen hätten, das ich
Ihnen
zugestellt habe. Ich habe das Mitteilungsblatt nicht zu Gesicht bekommen.«
    »Ich bin sicher, dass es in Ihr Postfach gelegt wurde.«
    »Elene ist nicht in der Lage, ihren eigenen Hintern zu finden, geschweige denn mein Postfach«, sagte Qatar. »Nicht mal meinen Gehaltsscheck stellt sie mir ordnungsgemäß zu.« Elene war die Sekretärin der Fakultät.
    »Okay«, sagte Neumann, »ich gebe Ihnen bis morgen Zeit. Bis morgen Mittag.« Sie ging, schlug die Tür hinter sich zu.
    Der Knall ließ Qatar zusammenzucken, und Kaffee spritzte aus der Tasse, auf seine Finger, auf den antiken Teppich. Zitternd vor Wut lief er im Büro auf und ab. Er hatte den Beruf des Hochschullehrers gewählt, weil er darin eine echte
Berufung
sah, ganz anders als bei einer Tätigkeit in der freien Wirtschaft. Wenn er sich anders entschlossen hätte, wäre er inzwischen zweifellos ein reicher Mann, aber er wäre dann auch eine Krämerseele mit schmutzigen Fingern. Manchmal jedoch, wie zum Beispiel in diesem Moment, erschien der Gedanke, die Macht eines großen Bosses zu besitzen – die Macht, die Charlotte Neumanns dieser Welt zu vernichten –, äußerst attraktiv.
    Er lief fünf Minuten hin und her, entwarf Szenarien ihrer Vernichtung, ging dabei bis ins Detail, murmelte die Abläufe laut vor sich hin. Die Visionen waren so deutlich, dass er sie mit Händen greifen konnte.
    Als sein Zorn verrauchte, fühlte er sich, als ob er einen Reinigungsprozess durchlaufen hätte. Er goss sich eine frische Tasse Kaffee ein, führte sie mit sicherer Hand zum Mund. Nahm einen Schluck, seufzte.
    Es hätte ihm sicher großes Vergnügen bereitet, Charlotte Neumann zu erwürgen, obwohl sie nicht im Geringsten dem Frauentyp entsprach, der seine Weißglut entfachte. Er würde sich daran erfreuen, überlegte er, wie jeder andere Mensch auch, dessen Vorgesetzte ihrerseits Freude an tyrannischen Akten bei der Ausübung ihrer Weisungsbefugnis entwickelte, wie das bei Neumann der Fall war.
    Er würde sich weiterhin ärgern, und er würde seiner Fantasie freien Raum lassen, aber er würde nichts gegen sie
unternehmen –
außer aus dem Hinterhalt gegen sie stänkern und sie schlecht machen, wie jeder andere Leidensgenosse unter den Professorenkollegen auch.
    Als Frau interessierte sie ihn nicht – sie entfachte nicht dieses bestimmte Feuer ihn ihm …
    Als er am nächsten Tag durch das Kaufhaus Saks schlenderte, stellte er fest, dass die Kaschmirpullover im Preis herabgesetzt worden waren. Es drohte nicht mehr viel kaltes Wetter, aber Kaschmir würde man noch jahrelang bei kälterer Witterung tragen können. Diese speziellen Pullover mit dem besonders kleinen Rollkragen würden ihm großartig stehen, und die tadellose Verarbeitung der Schulterpartien würde seine kraftvolle Gestalt betonen. Er probierte einen der Pullover an, und er passte tatsächlich perfekt. Enge teure Jeans würden seinen Hintern betonen – die Passform konnte er bei einem Schneider im Skyway für neun Dollar ändern lassen. Ein champagnerfarbener schwedischer Übergangsmantel und Cowboystiefel würden den Aufzug komplettieren … Aber all das war zu teuer.
    Er legte den Pullover zurück ins Regal und verließ den Laden. Und dachte an Barstad – sie
entfachte
das Feuer seiner Weißglut: Wenn er an sie und das Seil dachte, bekam er sofort eine fast schmerzhafte Erektion. Blonde Frauen sahen so sehr viel nackter aus als dunkle; so viel verwundbarer …
    Das nächste Treffen mit ihr war für Donnerstag verabredet. Vielleicht konnte er danach doch all diese schicken Kleidungsstücke kaufen.
    Er würde das Seil benutzen.
    Aber am Dienstagabend, als er immer noch von seinen Gedanken an Barstad und das Seil gefangen war und das Verlangen sich mehr und mehr steigerte, wurde er wieder einmal aus der Fassung gebracht. Er kam früh nach Hause, holte sich einen Karton Milch aus dem Kühlschrank sowie eine Schachtel
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