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Toedlicher Blick

Titel: Toedlicher Blick
Autoren: John Sandford
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hat? Warum schaltest du dich da nicht ein?«
    »Andere kümmern sich darum«, sagte Lucas. »Und außerdem, ich …«
    »Man hat die Leiche schon vor ein paar Tagen gefunden«, unterbrach Weather. »Wann war das? Vergangenes Wochenende?«
    »Letzten Sonntag«, antwortete er. »So was braucht Zeit.«
    »Eine ganze Woche, und was haben deine Kollegen rausgefunden? Überhaupt irgendwas? Als man sie gefunden hat, war sie bereits achtzehn Monate tot.«
    »Keine Ahnung, was man bis jetzt rausgefunden hat. Weißt du, dass ich ihre Eltern kenne?«
    »Nein.«
    »Sie kamen damals zu mir, als ihre Tochter verschwunden war, baten mich um Hilfe. Ich telefonierte rum, sprach auch mit ein paar Leuten. Die Hälfte von ihnen meinte, sie hätte sich zur Küste abgesetzt, die andere Hälfte meinte, sie sei ermordet worden. Aber keiner hatte eine Ahnung, wer es getan haben könnte. Man wusste nur, dass sie verschwunden war, und es sah nicht so aus, als ob sie geplant hätte abzutauchen … Sonst war nichts rauszufinden. Null.«
    »Warum hängst du dich da nicht rein? Das ist doch ein Fall, wie du ihn magst. Einer, an dem man rumknobeln muss. Da sitzt nicht einfach ein Irrer in seiner Küche mit einer Büchse Schlitz-Bier im Schoß und wartet darauf, dass die Cops reingestürzt kommen und ihn überwältigen.«
    »Ich will mich nicht einmischen und Kollegen auf die Füße treten, die versuchen, ihren Job zu machen«, sagte Lucas. Er rieb sich heftig mit den Fingerspitzen über die Narbe, die von der Stirn über eine Augenbraue bis zur Wange verlief. Er war ein großer Mann, breitschultrig, mit dunkelbrauner Gesichtshaut – fast wie bei einem Indianer –, hatte aber hellblaue Augen. Er rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her, als ob er befürchtete, er könnte unter seinem Gewicht zusammenbrechen. »Und außerdem macht die Tatsache, dass ich die Eltern kenne, die Sache komplizierter. Lenkt mich ab. Beeinträchtigt die Klarheit der Gedanken.«
    »Quatsch«, sagte Weather. »Du bläst Trübsal und bist auf Mitleid aus. Vielleicht solltest du mal deine Freundin Wie-heißt-sie-noch anrufen. Sie schenkt dir dann sicher ihr Mitleid.«
    Lucas ging absichtlich nicht auf den Wie-heißt-sie-noch-Hinweis ein. »Oder ein bisschen Pot. Wenn sie mir ihr Mitleid nicht schenkt, wie du so schön sagst, sollte sie mir eine Prise Pot geben.«
    Weathers Stimme wurde gefährlich ruhig. »
Davon
habe ich nicht gesprochen …«
    Natürlich hatte sie das nicht, aber Lucas trieb gern solche Spielchen. »Oh«, sagte er und versuchte sich an seinem charmanten Lächeln. Aber dieses charmante Lächeln kam kaum einmal an: Es stand zwar in seinen Augen, aber wenn er den Mund zum Lächeln verzog, gab ihm das einfach nur ein hartes, fast bedrohliches Aussehen.
    Romantische Beziehungen sind wie Zahnräder in einer alten Taschenuhr, dachte Lucas und sah Weather über den Tisch hinweg an. Sie drehen sich unablässig, die kleinen schnell, die größeren langsamer. Das größte in seinem Leben, die Verbindung mit Weather, drehte sich träge tickend einem ernsten Höhepunkt entgegen.
    Sie hatten einst kurz vor der Heirat gestanden, aber diese war geplatzt, als Weather in einem von Lucas’ Fällen von einem irren Biker als Geisel genommen worden war. Lucas hatte den Verbrecher in eine Falle gelockt, und er war, dicht neben Weather stehend, durch einen »finalen Kopfschuss« zur Strecke gebracht worden. Weather war dann … ja, vor ihm geflüchtet, einfach von ihm weggegangen; hatte ihr Hochzeitskleid im Schrank seines Schlafzimmers hängen lassen. Zwei Jahre hatten sie sich nicht gesehen, aber inzwischen hatten sie die Verbindung wieder aufgenommen. Seit zwei Monaten schliefen sie auch wieder miteinander, aber es war bisher nicht zu einer grundsätzlichen Aussprache gekommen. Kein Wir-sollten-mal-miteinander-reden, keine Verpflichtungen, kein Ultimatum irgendeiner Art. Doch es war klar – wenn jetzt wieder etwas schief ging, bedeutete es das Ende der Beziehung. Wenn es erneut zu einem Abbruch kam, würde es keine Versöhnung mehr geben.
    Lucas mochte Frauen. Und die meisten Frauen mochten ihn, mit einer angemessenen Zahl von Ausnahmen. Andererseits gab es aber auch eine angemessene Zahl derer, die ihn intensiv genug mochten, um bei ihm mehrere Zahnräder gleichzeitig in Schwung zu versetzen. Im vergangenen Sommer hatte er ein kurzes, jedoch sehr erfreuliches Abenteuer mit einer Töpferin erlebt. Fast zur gleichen Zeit war eine alte College-Freundin durch die Hölle des
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