Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Helden-Maus

Titel: Helden-Maus
Autoren:
Vom Netzwerk:
1
Metria
    Es war nicht immer einfach, der Sohn eines Ogers und einer Nymphe zu sein. Manchmal fing der Oger an, Dinge zu zerquetschen, nur weil es ihm Spaß machte, oder mit bloßer Hand den Sand aus den Steinen zu pressen, was fürchterlich viel Schmutz machte. Manchmal war die Nymphe ziemlich zerstreut, oder sie bekam einen Wutanfall. Aus diesem Grund hatte Esk sich auch dieses gemütliche Versteck angelegt, von dem kein anderer etwas wusste. Immer, wenn die Lage zu Hause allzu strapaziös wurde, begab er sich hierher, um sich zu erholen und zu entspannen. Zwar liebte er seine Eltern, doch die Einsamkeit hatte auch ihren Wert. Er blieb stehen, sah sich um und lauschte aufmerksam. Er wollte nicht, dass irgendein Lebewesen Xanths, sei es ein zahmes oder ein wildes, ihn beim Eintreten beobachtete, denn dann wäre dieser Ort kein Geheimnis mehr gewesen, und früher oder später würden seine Eltern davon erfahren, was ihm alles andere als recht war.
    Sein Versteck befand sich im hohlen Stamm eines abgestorbenen Bierfassbaums. Er hatte Glück gehabt: Er war im Monat Augeist hier in der Nähe gewesen, als die Bierfassbäume ihren Geist aufzugeben pflegten, und er hatte gesehen, wie der Geist Abschied genommen hatte. »Au, Geist!« hatte er in klassischer Ogermanier gerufen, und das hatte den Baum verzaubert, so dass er den leeren Stamm übernehmen konnte, ohne gleich die ganze Umgebung in Aufruhr zu versetzen. Er hatte in den dicken Stamm eine Tür geschnitten, die so dicht schloss, dass man sie von außen nicht erkennen konnte, und dann hatte er Ventilationsschächte angelegt, damit sich der muffige Biergeruch verflüchtigen konnte; Tandy, seine Mutter, würde niemals Verständnis dafür haben, wenn er nach Bier riechend nach Hause käme! Schließlich hatte er den Boden mit Stroh ausgelegt und von einem nahegelegenen Kissenstrauch einige Kissen besorgt, hatte dekorative Szenerien in die Wände geschnitzt und alles vervollkommnet. Er war ziemlich stolz auf sich; er bedauerte nur, dass er mit seiner Leistung nicht herumprahlen durfte, weil die Geheimhaltung nun einmal Vorrang hatte.
    Die Luft schien rein zu sein. Er hakte seine Nägel in die Ritze und riss die Tür auf, eine kleine Tür mit unregelmäßigen Konturen, damit man sie nicht als solche erkennen konnte. Er bückte sich, um einzutreten, dann schloss er sie wieder sorgfältig hinter sich. Nun schritt er weiter und ließ sich in sein Kissennest plumpsen.
    »Aua!«
    Esk zuckte zusammen. »Wer war das gerade?« fragte er.
    »Beweg dein fettes Muli von mir!« erklang von irgendwo unter ihm eine Stimme.
    Er blickte umher, konnte aber nur Kissen erkennen. »Mein fettes was?«
    »Deinen fetten Esel!« bellte die Stimme. »Pony, Pferd, Maultier, was immer… weg damit!«
    Schließlich begann Esk zu ahnen, nach welchem Wort dieser mysteriöse Jemand suchte. Hastig stand er von den Kissen auf. »Wo bist du?«
    Das Kissen veränderte seine Umrisse. In seiner Mitte formte sich ein Mund. »Hier, du Tölpel! Was hast du dir eigentlich dabei gedacht, mir einfach deine grobschlächtige Anatomie so ins Gesicht zu pflanzen?«
    »Na ja, ich…«
    »Egal. Aber mach es wenigstens nicht wieder, Blödian.«
    »Eigentlich sollten Kissen doch…«
    »Ach ja? Hast du die Kissen vielleicht auch mal nach ihrer Meinung gefragt?«
    »Na ja, eigentlich nicht, aber…«
    »Na also, Blödmann! Und nun zieh Leine und lass mich schlafen.« Esk haute ab. Und dann, während er nach Hause zurückging, begann er zu grübeln. Wie hatte er mit einem Kissen reden können? Er kannte nur eine einzige Person, die sich mit Gegenständen unterhalten konnte, und das war Dor, der König von Xanth. Man ging allgemein davon aus, dass es magische Talente nur einmal gab (mit Ausnahme der Fluchungeheuer), was wiederum bedeutete, dass es sich nicht um Esks Talent handeln konnte. Und außerdem besaß er bereits eine Begabung: das Talent des Protestierens. Manchmal meinte seine Mutter zwar, dass er zuviel protestiere, doch leugnete sie nicht, dass es eine Art Magie war. Da aber niemand über zwei magische Talente verfügte, war somit die Möglichkeit, mit unbelebten Gegenständen zu reden, ebenfalls ausgeschlossen.
    Schließlich kam er dahinter. Er war nicht gerade der Allerschlaueste, da er ja zu einem Viertel ein Oger war, aber wenn er sich eines Problems erst einmal angenommen hatte, ließ er nicht locker, weil er zur Hälfte Mensch war, und meistens fand er auch zu irgendeiner Lösung, so einfach sie auch sein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher