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Toedlicher Blick

Titel: Toedlicher Blick
Autoren: John Sandford
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Cornflakes der Sorte »Froot Loops« aus dem Vorratsregal und setzte sich an den Küchentisch. Die
Star Tribune
lag noch vom Morgen auf dem Tisch; er hatte vor dem Weggehen nur einen kurzen Blick darauf geworfen. Jetzt goss er Milch über die Cornflakes und schlug die Zeitung auf. Sein Blick fiel sofort auf einen kleinen Artikel am unteren Rand der Seite. Die zweizeilige Überschrift lautete: »Frauenleiche gefunden; Polizei bittet um Mitarbeit.«
    Die Leiche einer unbekannten Frau wurde am Sonntag im Staatsforst von Minnesota nördlich von Cannon Falls von einem Mann gefunden, der Jagd auf wilde Truthähne machte. Eine erste Untersuchung ergab, dass die Frau seit mindestens einem Jahr tot ist, wie der Gerichtsmediziner des Goodhue County, Carl Boone, bekannt gab.
    »Scheiße.« Qatar sprang auf, warf die Zeitung in das Spülbecken. Stürmte ins Wohnzimmer, rang die Hände. »Scheiße, Scheiße!«
    Ließ sich auf einen Stuhl fallen, legte die Hände vors Gesicht – und weinte. Weinte eine volle Minute, atmete keuchend, und dicke Tränen liefen seine Wangen hinunter. Jeder echte Kunsthistoriker, so meinte er, hätte in dieser Situation genauso reagiert. Man nannte so etwas
Sensitivität
.
    Nach einer Minute war es vorbei. Er wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser, tupfte es mit Papierhandtüchern trocken. Schaute in den Spiegel und dachte: Barstad. Er konnte sie sich jetzt nicht mehr greifen, jedenfalls nicht in nächster Zeit. Wenn eine weitere blonde Frau verschwand, würde die Polizei durchdrehen. Er musste abwarten. Keine Pullover. Keine neue Kleidung. Aber vielleicht, überlegte er, würde die Frau ihm ja echten Sex bieten. Wenigstens das.
    Doch er spürte ihre besondere Anziehungskraft, ihre Blondheit. Spürte sie in seinen Händen und in der Ader, die in seiner Kehle pochte. Das
wirkliche
Verlangen nach ihr war fast übermächtig. Und ich werde sie kriegen, dachte er.
    Früher oder später.

2
    Der Winter war nicht besonders kalt gewesen, und es hatte auch nicht viel Schnee gegeben; aber es schien Monate her zu sein, seit man zum letzten Mal die Sonne gesehen hatte. Die Straßenlampen wurden immer noch bereits um fünf Uhr nachmittags eingeschaltet, und Nebelschleier stiegen aus dem Boden wie übellaunige Plagegeister.
    Lucas Davenport schaute durch das Fenster des Cafés zu, wie sich die Regentropfen draußen auf dem Asphalt des leeren Parkplatzes am Flussufer gegenseitig erschlugen. »Dieser verdammte Regen geht mir auf den Geist«, sagte er. »Den ganzen Tag schon trommelt er gegen die Fensterscheiben und aufs Dach.«
    Die Frau ihm gegenüber am Tisch nickte, und er fuhr fort: »Gestern war ich oben im Gerichtsgebäude und sah runter auf die Straße. Alle Leute auf den Bürgersteigen trugen Regenmäntel oder Parkas. Sie sahen aus wie Kakerlaken, die emsig im Halbdunkel rumkrabbeln.«
    »Noch zwei Wochen bis zum kalendarischen Beginn des Frühlings«, sagte die Frau. Weather Karkinnen leerte die Schale mit Reissuppe und tupfte sich die Lippen mit einer Serviette ab. Sie war eine kleine Frau mit kurzem Haar, einer leicht schiefen Nase, recht breiten Schultern und kühlen blauen Augen. »Ich will dir was sagen – es läuft mir kalt den Buckel runter, wenn ich auf den Fluss schaue. Er sieht immer noch ganz und gar winterlich aus.«
    Lucas sah zum Fluss und den Lichtern von Wisconsin am anderen Ufer hinüber. »Er riecht auch nicht gut. Nach toten Karpfen.«
    »Und nach Würmern. Und die Adler haben sich abgesetzt. Finden weiter den Fluss runter anscheinend mehr Futter.«
    »Wir sollten uns auch von hier absetzen«, sagte Lucas. »Wie wär’s mit einer Segeltour? Wir leisten uns zwei Wochen Urlaub …«
    »Geht nicht«, sagte sie. »Ich bin dienstlich für acht Wochen ausgebucht. Und außerdem magst du doch Segeln gar nicht. Als wir letztes Mal mit dem großen Boot gesegelt sind, hast du gesagt, es wäre, als ob man mit einem Wohnmobil in der Gegend rumzockeln würde.«
    »Das hast du falsch in Erinnerung«, sagte Lucas. Er winkte einer Kellerin und deutete auf sein leeres Martini-Glas. Sie nickte, und er wandte sich wieder Weather zu. »Ich habe damals gesagt, es wäre, als ob man ein Wohnmobil mit zehn Stundenkilometern durch die Ebenen North Dakotas steuert. Nur
noch
weniger interessant.«
    Weather trank von ihrem Weißwein und drehte dann das Glas zwischen den Fingern. Sie war Chirurgin und hatte die muskulösen Hände dieser Berufsgruppe. »Was ist mit dem Fall dieser Frau, die man erwürgt aufgefunden
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