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Toedlicher Blick

Titel: Toedlicher Blick
Autoren: John Sandford
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durchsetzen wollen. Aber als sie jetzt mit den Händen im Spülwasser in ihrer Küche stand, beschloss sie, es diesmal zu tun. Es kam ja nichts dabei heraus, wenn sie es unterließ.
    Die Zeit verging – und mit ihr ihre Jugend …
    Barstad war Stoff-Designerin, machte hin und wieder Arbeiten am Webstuhl, beschäftigte sich hauptsächlich jedoch mit der Herstellung von Quilts. Noch konnte sie ihren Lebensunterhalt damit nicht bestreiten, aber das Einkommen aus dem Verkauf der Quilts steigerte sich von Monat zu Monat, und in spätestens zwei Jahren würde sie davon leben und die Arbeit im Buchladen aufgeben können.
    Sie hatte sich, obwohl dies nicht ganz legal war, eine Wohnung in der Ladenstraße eines Gewerbebezirks in Minneapolis eingerichtet. An der Vorderseite befand sich ein großer Raum voller Quilt-Rahmen und Regale mit den benötigten Stoffen. Die dahinter liegende Fläche hatte sie selbst mit Sperrholzplatten und Holzbalken in die verschiedenen Wohnräume aufgeteilt. Als Erstes hatte sie das Bad abgetrennt, dann den Rest der Fläche in Schlafzimmer, Wohnzimmer und Küche aufgegliedert. Die Küche enthielt einen Elektroherd mit Ceran-Kochfeld, einen Eisschrank im Stil der fünfziger Jahre und einen Tisch, der aus einer ausgedienten Holztür auf zwei Sägeböcken bestand. Und das alles war genau richtig für eine Künstlerin in den Zwanzigern, die erwartungsvoll positiven Entwicklungen entgegensah …
    Wie zum Beispiel tollem Sex, ging ihr durch den Kopf – wenn dieser Mann endlich aus dem Badezimmer kam.
    Das Seil steckte aufgerollt in seiner Jackentasche. Qatar nahm es heraus und strich es zwischen den zur Faust gebogenen Fingern glatt, als wolle er die finstere Geschichte dieses Seils von ihm abstreifen. Es war vierzig Zentimeter lang und hatte anfänglich als Startseil für einen Mercury-Außenbordmotor gedient – an einem Ende befand sich noch der Handgriff aus Hartgummi. Das Seil hatte ihn fast sein halbes Leben lang begleitet. Er rollte es um die Finger der linken Hand ordentlich wieder auf, schob dann die Rolle zurück in die Seitentasche der Jacke. Ein alter Freund …
    Barstad war eine geradezu fürchterliche Enttäuschung gewesen. Sie hatte nicht im Geringsten gehalten, was er sich von ihr versprochen hatte. Absolut passiv, nichts als dieses banale Breitmachen der Beine und Schließen der Augen. Mit einer solchen Frau konnte er nichts anfangen. Es würde keine Wiederholung geben.
    Die Post-Koitus-Depression begann sich zu legen, wurde ersetzt durch die schon fast vergessene Mordlust – ein schwankender Zustand, bestehend aus heißer, fokussierter Erregung und nagender, unangenehmer Furcht. Er nahm sein Jackett und ging damit ins Wohnzimmer – ein Raum gerade groß genug, ein Sofa, einen Couchtisch und einen Schaukelstuhl aufzunehmen. Er hängte die Jacke ordentlich über die Lehne des Schaukelstuhls und ging dann um die Ecke in die winzige Küche.
    Hier roch es ein wenig nach Hühnersuppe, ein wenig nach eingetrocknetem Salz, ein wenig nach geriebenem Sellerie, und all das war unterlegt vom Brummen des Eisschranks und den Klängen aus dem Radio. Barstad stand vor dem Becken und hatte beide Hände ins Spülwasser getaucht. Geistesabwesend formten ihre Lippen den Text eines Softrock-Stücks aus dem Radio, das Qatar nicht kannte, und sie bewegte den Körper dazu in der befangenen Art, wie sie bei Menschen im Mittleren Westen öfter anzutreffen war.
    Barstad hatte honigblondes Haar und blaue Augen unter hellen, fast weißen Augenbrauen. Sie hatte sich von oben bis unten in den düsteren Farben der derzeit in Minnesota gängigen Mode gekleidet – dunkler Rollkragenpullover, dunkle Hose, plumpe schwarze Schuhe. Diese Graue-Maus-Kleidung konnte jedoch die ausgesprochen attraktive Figur nicht ganz verbergen, die sie ihren skandinavischen Genen zu verdanken hatte und durch regelmäßiges Radfahren in Form hielt. Alles Verschwendung, dachte Qatar. Er trat auf sie zu, und sie drehte den Kopf, lächelte ihm scheu entgegen. »Wie geht’s dir?«, fragte sie.
    »Bestens«, antwortete er und blinzelte ihr zu, presste dabei das Seil gegen seine Hüfte. Sie wusste sicher, dass der Sex keine Offenbarung gewesen war – deshalb war sie wohl auch in die Küche geflüchtet. Er legte die Hände auf ihre Hüfte und küsste sie auf den Nacken. Sie roch nach gelber Kernseife. »Du warst großartig.«
    »Ich hoffe, es wird noch sehr viel besser«, sagte sie und lief rot an. Sie hielt einen Schwamm in der Hand. »Ich
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