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Todesformel

Todesformel

Titel: Todesformel
Autoren: Verena Wyss
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formell verhaftet.«
    Endlich Svens Gesicht, seine blauen Augen, seine Locken. Er beugt sich über mich, hat meine Hände gefasst: »Jennifer, sie hat das Geständnis abgelegt und unterschrieben, sie haben Meret Platen erpresst und sie hat auf jeden Fall Yorge Droz erschossen, sie haben verbotene Forschung betrieben, sie haben Ergebnisse verkauft und in die eigene Tasche kassiert. Roos wurde von Mattis Platen-Alt getötet. Jetzt haben wir sie. Ich bringe dir Noël. Der Arzt ist gleich da.«
    Er läuft weg, der Motor eines Motorrads heult so richtig auf, Pneus knirschen. Das Motorengeknatter entfernt sich. Auf ›Holsten‹ ist mein Junge. Auch Knut ist dort. Ich weine und kann das Weinen nicht mehr stoppen. Alja hält mich im Arm.
    Autotüren schlagen, Stimmen. Sanitäter, die mich aufrichten, mich ins Wohnzimmer bringen. Im Korridor tragen andere Sanitäter eine Trage hinaus. Darauf liegt die wimmernde Chantal Platen-Alt. Mein Arm schmerzt, doch als ich sie so liegen sehe, werde ich lebendig. Ich fasse den vorderen Sanitäter am Arm: »Bitte, warten Sie einen Moment.« Ich schaue sie mir an, die Perücke ist weg, die Haare sind verklebt, um total verschwollene Augen verschmierte Mascara, eine Sauerstoffmaske, eine Infusion am dick geschwollenen Arm. Sie scheint mich zu erkennen, blinzelt, greint. Es geht ihr schlecht.
    Ich starre sie an, denke klar: Dein Plan ist gescheitert und du weißt es. Du kriegst meinen Jungen nicht, wir werden leben. Ich nehme dir und deinem Mann die Macht, das werde ich tun, denn ich bin Jennifer Bach, Meret Platens Tochter. Ich will mit dir nichts zu tun haben.
    Sie schließt die Augen. Ich schaue zu, wie die Sanitäter die Trage in den Krankenwagen heben. Ein uniformierter Polizist schließt die Hecktür, steigt auf der Beifahrerseite ein, das Auto fährt weg.
    Ich schwanke, Alja bringt mich zurück ins Wohnzimmer. Ich liege auf dem roten Sofa. Claas, Alja und der Pikettarzt stehen vor mir. Claas redet, präzise und schnell. Er hat das volle Geständnis auf seinem Diktiergerät. Er und Sven werden einfach nie zugeben, dass es durch Nötigung zustande kam. Sven meint, weil es um mein Leben und um den entführten Noël ging und wegen der Schwere der übrigen Delikte werde das Gericht einen gewissen Druck akzeptieren. Ich erhalte mehrere Spritzen, Schmerzmittel, Antihistamine, Sauerstoff. Ich weigere mich, ins Spital zu gehen. Noël weiß, dass ich hier auf ihn warte. Der Arzt gibt nach, noch eine Spritze, ein kleiner Schnitt, der Stachel wird entfernt.
    Ich schlafe auf Aljas Sofa, als Alja und Sven mit Noël vor mir stehen. Ganz leicht berührt Sven meine Hand: »Knut ist noch im Einsatz, ich muss gleich wieder weg. Mattis Platen-Alt hat sofort aufgegeben.« Sven strahlt mich an. »Es ist gut, wenn man es mit intelligenten Leuten zu tun hat.« Ich sehe nur Noël.
    Noël fällt mir nicht um den Hals, er verküsst mich nicht und klammert sich nicht an mich. Nachdem er mir mitgeteilt hat, Moshe sei bei Uschi gut aufgehoben, setzt er sich auf den Schemel neben mir, schaut unbeteiligt zum Fenster hinaus. Also bin ich nicht mehr krank, rapple mich mühsam hoch. »Noël, es ist vorbei.«
    Dass ich einen breiten Verband am Arm trage, weil ich einen Stachel von Aljas Kaktus abkriegte und dass ein Arzt mir deswegen gleich mehrere Spritzen und einen kleinen Schnitt machen musste, bringt ihn in die Gegenwart, macht ihn friedfertiger. Ich werde also Tabletten schlucken müssen. »Wann holen wir Moshe?«
    Schon wieder habe ich Moshe vergessen, doch sollte mich das jetzt noch kümmern? Es ist noch nicht lange her, da war ich darauf gefasst, als Letztes den Einstich einer Giftspritze zu fühlen. – Die CD-ROM.
    Meine Kleider liegen ordentlich zusammengefaltet auf einem der Sessel. Ich bitte Noël, mich kurz allein zu lassen.
    Sorgfältig rutsche ich vom Sofa, fühle mich schwach, fast taumle ich. Etwas wackelig gehe ich, ich darf nicht fallen. Mein linker Arm fühlt sich betäubt an, ein dumpfer Schmerz, doch im Kopf bin ich wach. Aus der inneren Westentasche ziehe ich das schimmernde rosa Plastiketui, denke, das ist so stabil, sicher ›NASA‹-getestet.
    Es soll mir einer sagen, weshalb ich mich auf diese verdammte CD-ROM einlassen sollte!
    Meret wollte, dass sie bewahrt bleibt, Alja als ihre Hüterin. Sie hat mit ihrem Leben dafür bezahlt, wissentlich, willentlich. In diesem Moment hat sie auch gewusst, dass ich da war – Opfertaten?
    Meret gegenüber fühle ich mich zu gar nichts verpflichtet.
    Es
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