Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jerry Cotton - 0568 - Die unheimliche Witwe

Jerry Cotton - 0568 - Die unheimliche Witwe

Titel: Jerry Cotton - 0568 - Die unheimliche Witwe
Autoren:
Vom Netzwerk:
Sie drehte sich nicht um, als er die Küche betrat. »Hey«, sagte er und warf seinen Stetson auf einen Stuhl. Er musterte Vicky flüchtig. Sie trug den grünseidenen Morgenmantel, den er ihr einmal aus Frisko mitgebracht hatte. Sie sah gut aus — wie immer, aber ihr Anblick ließ schon seit zwei Jahren sein Herz nicht mehr rascher schlagen.
    »Morgen«, sagte sie.
    Er setzte sich und blickte seine Frau an: Vicky Ramsgate, fünfundzwanzig Jahre alt, goldblond, ehemaliges Fotomodell. Eigentlich war es kaum vorstellbar, daß zwei Menschen, die einander einmal so nahegestanden hatten wie Vicky und er, sich nur noch so wenig zu sagen hatten.
    »Jemand hat angerufen«, sagte sie.
    Er stützte die Arme auf den Tisch und massierte sich die Schläfen. Er haßte den Nachtdienst. Es fiel ihm schwer, tagsüber zu schlafen. Aber Kriminalbeamte mußten auch nachts Dienst schieben.
    »Ich rede mit dir«, sagte sie, ohne den Kopf zu wenden. Es klang weder ärgerlich noch vorwurfsvoll. Sie stand am Herd und verrührte Eier mit Speck. Der angenehme und belebende Geruch durchzog die Küche und vermischte sich mit dem Duft des Kaffees. Der Tisch war schon gedeckt. In ein paar Minuten würden sie zusammen frühstücken.
    Viel mehr Gemeinsames war ihnen kaum geblieben.
    »Ich habe verstanden«, sagte er müde. »Wer war'es denn?«
    »Er hat seinen Namen nicht genannt. Er kommt her.«
    Paul Ramsgate hob die Augenbrauen. Er hatte ein kantiges gutgeschnittenes Gesicht, das zuweilen düster und verdrossen wirkte. »Wann?« fragte er.
    »Nach dem Frühstück. Warum machst du es dir nicht bequem?«
    Er erhob sich und zog das Jackett aus. Dann schnallte er die Schulterhalfter ab. Er warf beides auf die gepolsterte Eckbank.
    »Verdammt noch mal, ich brauche meinen Schlaf«, sagte er. »Konntest du ihn nicht abwimmeln? Schicke ihn weg, wenn er aufkreuzt. Er soll mich in der Dienststelle besuchen.«
    »He, bleib auf dem Teppich, Paul. Es ist nicht meine Schuld, daß er auflegte, noch ehe ich seine Unverschämtheit mit ein paar passenden Worten quittieren konnte.«
    Ramsgate lehnte sich entspannt zurück und ließ die Arme über die Lehne baumeln. »In zwei Wochen ist es soweit«, sagte er plötzlich zufrieden. »Der Captain hat es mir deutlich zu verstehen gegeben.«
    »Hör auf damit, ich glaube es erst, wenn ich die Ernennungsurkunde sehe.«
    Er blickte sie an. »Was macht dich in letzter Zeit bloß so sauer? Ich frage mich manchmal, was aus der lustigen, stets optimistischen Vicky von damals geworden ist.«
    »Seit Monaten spukt dir die Beförderung im Kopf herum. Als ob sich so schrecklich viel ändern würde, wenn du Lieutenant bist! Wahrscheinlich sehe ich dich dann noch seltener. Wir werden eine größere Wohnung mieten, und dafür werden die paar Bucks, die du dann mehr verdienst, restlos drauf gehen.«
    »Das ist ein froher Morgen«, spottete er. »Du machst dir kein Bild davon, wie gern man da nach Hause kommt.«
    Vicky antwortete nicht. Sie trat mit der Pfanne an den Tisch und teilte deren Inhalt in zwei Portionen auf. Sie begannen zu frühstücken.
    Paul legte die Stirn in Falten. Irgendeines von Vickys Worten war in seinem Kopf hängengeblieben. Es ließ ihn nicht los. Endlich hatte er es. Er blickte seine Frau an.
    »Sagtest du, der Anrufer sei unverschämt geworden?«
    Vicky erwiderte seinen Blick. Ihre großen langbewimperten Augen waren violett und von kristallener Klarheit, schön und kalt zugleich.
    »Ja«, sagte sie ruhig. »Er behauptete, es ginge um dein Leben.«
    ***
    Paul Ramsgate kaute langsamer. Dann tupfte er sich den Mund mit einer Papierserviette ab.
    »Das sagst du mir erst jetzt — und in diesem gleichgültigen Ton?« fragte er leise.
    »Ich nehme es nicht ernst«, meinte seine Frau und bestrich eine Scheibe Toast mit Butter. »Soll ich wegen jedem Spinner gleich in Ohnmacht fallen? In deinem Beruf schafft man sich nicht nur Freunde. Du bist schon oft genug bedroht worden. Na und? Wenn alles gut geht, bist du in vierzehn Tagen über den Berg. Sie wollen dich doch im Innendienst beschäftigen, nicht wahr?«
    »Sei mal ehrlich, Vicky«, sagte er. Seine Stimme war noch immer leise. »Wieviel bedeute ich dir noch?«
    »Müssen wir das beim Frühstück erörtern? Du mußt ins Bett, Paul. Heute abend mußt du wieder fit sein.«
    »Ich bin fit«, meinte er bitter. »Ich war noch nie so…« Er unterbrach sich, als es klingelte.
    »Das wird er sein«, vermutete Yicky. »Laß deinen Zorn doch an ihm aus.«
    Paul erhob sich.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher