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Tod in Seide

Tod in Seide

Titel: Tod in Seide
Autoren: Linda Fairstein
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kam ein Krankenwagen unter noch mehr Sirenengeheul herangerast. Für Wrenley kam er zu spät. Wie hatte Chapman diese Straße genannt? Death Avenue, die Straße des Todes.
    »Halten Sie es aus, bis ein Feuerwehrauto mit einer Leiter kommt?«
    Ich nickte ihr zu, drehte mich um und setze mich hin. Ich lehnte mich gegen das Geländer, rieb mit meinen zerkratzten Händen meine Unterschenkel und versuchte, gleichmäßig zu atmen.
    Eine Viertelstunde später, nachdem man den Leichnam weggeschafft hatte, hörte ich, wie Brannigan meinen Namen rief. Ich stand auf und sah ein rotes Feuerwehrauto, das gerade die Leiter ausfuhr. Zwei Feuerwehrmänner kamen über das Geländer geklettert, stellten sich vor und schüttelten mir die Hand.
    »Schaffen Sie es nach unten?«
    »Ich bin nicht schwindelfrei.« Ich versuchte zu lächeln. Ich konnte ihnen unmöglich erklären, was es für mich bedeutet hatte, noch vor wenigen Minuten über dem Geländer zu hängen.
    »Das haben wir gleich. Ich werde eine Stufe unter Ihnen sein, und Harry ist über Ihnen. Schließen Sie einfach die Augen und vertrauen Sie mir.«
    Als ich sie wieder öffnete, standen wir auf der Straße. Jetzt konnte ich die Werbung auf dem Billboard über mir sehen. Unter einer zwei Meter hohen Wodkaflasche in der Form eines Flugzeugrumpfes stand in dicken gelben Lettern: ABSOLUT ESCAPE.
    Ich empfand das Gedränge der vielen uniformierten Leute um mich herum, die alle behilflich sein wollten, als erdrückend. Die Polizisten und die Feuerwehrleute hatten eine nett gemeinte Auseinandersetzung darüber, wer mich unter seine Fittiche nehmen würde – die Polizisten, weil sie als Erste vor Ort gewesen waren, oder die Feuerwehrleute, weil sie mich gerettet hatten.
    Ich nahm Brigid Brannigan zur Seite. »Sagen Sie ihnen, dass ich gerne mit Ihnen fahren würde.«
    »Soll ich Sie ins Saint Vincent’s fahren, damit man Sie dort untersuchen kann?«
    »Ja. Ich glaube, ich hätte gerne eine Tetanusimpfung.« Ich wusste nicht, woran ich mir meine Knie und Hände aufgeschürft hatte. »Aber ich möchte auf dem Weg dorthin noch wo vorbeischauen.«
    Sie erklärte den anderen, dass ich mit ihr fahren würde. Ich setzte mich auf den Beifahrersitz des Streifenwagens. Jemand reichte mir meine Tasche, die ich in der Galerie hatte fallen lassen. Der Pieper ging los, und ich sah, dass es meine Büronummer war. Brannigan fuhr die Tenth Avenue hinauf und wollte nach Osten in Richtung Krankenhaus abbiegen. »Würden Sie noch ein paar Straßen geradeaus fahren, zur Ecke Twentyfirst Street?«
    Ich rief Laura von Brannigans Handy aus an. Sie hörte sich besorgt an. »Mike hat dich angepiept. Er ist wahrscheinlich schon durch den Tunnel und wieder in Manhattan. Er sagt, er konnte dich nicht erreichen. Ist alles in Ordnung?«
    »Ich muss es nicht gehört haben. Würden Sie ihn anrufen und ihm sagen, dass er mich in Chelsea, an der Ecke Twentyfirst und Tenth, treffen soll? Ich werde dort auf ihn warten.« Sie würde alles andere bald erfahren.
    Das Auto hielt direkt hinter der Kreuzung. »Hier?«
    »Ja.«
    Brannigan sah das kleine anmutige Gebäude, das mir aufgefallen war, als wir heute schon einmal um den Block gefahren waren. »Wollen Sie, dass ich mitkomme?«
    »Nein, danke. Ich werde dort auf Chapman warten. Glauben Sie, dass es jemanden stören wird?«
    Sie lächelte mich an. »Nein.«
    Ich stieg aus und ging die vier Stufen zur Church of the Guardian Angel, der Kirche des Schutzengels, hinauf. Die schöne romanische Fassade war mit einem runden, farbigen Glasfenster geschmückt, und das Eingangsportal war von zwei schlanken Säulen eingerahmt. Ich zog an der hölzernen Tür, ging hinein und setzte mich in die kühle Stille. Ich wusste nicht, wo die nächste Synagoge war, aber ich musste an einem Ort sein, wo ich allein sein und beten konnte. Irgendwie passte der Name dieser Kirche zum heutigen Tag.
    Zwanzig Minuten später hörte ich, wie die Tür auf und zu ging und jemand näher kam. Ich drehte mich nicht um.
    Mike Chapman rutschte neben mich in die Bank und sah mich, eine Grimasse schneidend, kopfschüttelnd an. Er wollte etwas sagen.
    »Jetzt nicht.«
    Stattdessen legte er mir den Arm um die Schulter. Ich schloss die Augen und lehnte mich an ihn, bis ich bereit war zu gehen.
    34
    Mike sang Background für Willie Nelson und Julio Iglesias – »To All the Girls I’ve Loved Before« –, als Jake und ich eine Woche später durch die Tür von Rao’s kamen. Er kletterte von seinem Barhocker,
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