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031 - Die Stunde der Ameisen

031 - Die Stunde der Ameisen

Titel: 031 - Die Stunde der Ameisen
Autoren: Dämonenkiller
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Cocos Erinnerung – vierzehn Monate nach dem Hexensabbat
     
    Ich stöhnte laut auf. Der Schmerz war ohne Vorwarnung gekommen. Er raste durch meinen Körper und brachte meine Gliedmaßen zum Zucken. Ich lehnte mich an eine Hauswand und schloß die Augen. Der Schweiß brach mir aus, und ich wischte ihn mit dem Handrücken von der Stirn. Eines meiner Familienmitglieder war in Gefahr und mußte entsetzliche Qualen erdulden. Es war Demian, einer meiner Brüder. Nach der Intensität der Schmerzen zu schließen, konnte er nicht weit sein.
    Es dauerte einige Sekunden, bis ich wieder klar denken konnte. Ich setzte meine magischen Kräfte ein, und die Schmerzen ließen nach. Sie waren jetzt nur noch ganz schwach zu spüren. Ich stieß mich von der Hauswand ab und hob den Kopf. Vielleicht gelang es mir, die Richtung herauszufinden, in der ich meinen Bruder zu suchen hatte.
    Vor einer Stunde hatte ich unser Haus in der Ratmannsdorfgasse verlassen, um spazierenzugehen. Ich war durch den Hörndlwald marschiert und befand mich jetzt in der Jenbachgasse.
    Sobald ich die Ausstrahlung meines Bruders lokalisiert hatte, rannte ich los. Mit jedem Meter, den ich zurücklegte, wurden die Schmerzen stärker, überfluteten mein Gehirn. Mein Bruder mußte sich in tödlicher Gefahr befinden.
    In der Schlägergasse blieb ich vor einem niedrigen, uralten Haus stehen. Die schmalen Fenster waren blind vor Schmutz; überall bröckelte der Verputz ab, und das Dach war an mehreren Stellen eingebrochen. In diesem Haus befand sich mein Bruder. Nur zu deutlich spürte ich seine Schmerzen und sein Entsetzen.
    Ich zögerte, das Gebäude zu betreten, da ich sicher war, daß auch andere Familienmitglieder die Qualen meines Bruders gespürt hatten und bereits auf dem Weg waren, um ihm zu Hilfe zu kommen. Was, wenn ich nur aufgrund meiner Ungeduld in eine vorbereitete Falle lief? Doch Demians Qualen wurden immer größer. Ich mußte ihm helfen.
    Ich drückte die Klinke der verrosteten Eisentür nieder, ging die Einfahrt entlang und erreichte einen kleinen Hinterhof. Überall lag Unrat herum. Zwischen einigen halb zersplitterten Holzfässern huschten zwei graue Katzen hin und her, die sich von mir nicht stören ließen. Vorsichtig ging ich weiter. Auf der rechten Seite stand eine Tür halb offen. Sie pendelte knarrend in den Angeln und war mit Blut besudelt.
    Plötzlich blieb ich stehen. Eine seltsame Melodie war zu hören. Es war Demian, der sang.
    Blitzschnell trat ich in das Haus und durchquerte einen kleinen Vorraum, in dem Weinkisten bis zur Decke aufgestapelt waren. Eine breite Holztreppe führte in den Keller, die unter jedem meiner Schritte knarrte. Je tiefer ich hinunterstieg, um so dunkler wurde es um mich. Ich konnte nicht verstehen, was mein Bruder sang, doch die Melodie faszinierte mich. Demian hob und senkte die Stimme in einem seltsamen Rhythmus, der mir durch Mark und Bein ging.
    Endlich erreichte ich den Keller, in dem ein unwirkliches Halbdunkel herrschte. Ich sah mich rasch um. Links und rechts standen große, bauchige Weinfässer, von denen die meisten morsch und leck waren. In einem Regal lagen ein paar leere Flaschen. Ich ging an einer Verkorkmaschine vorbei und blieb stehen. Der Gesang meines Bruders war in ein quälendes Geschrei übergegangen.
    »Wo bist du, Demian?« fragte ich aufgeregt.
    Er gab mir keine Antwort, sondern schrie einfach weiter. Nach einigen Schritten hatte ich ihn entdeckt und blieb entsetzt stehen. Er war bis zum Hals in ein riesiges Faß gesperrt worden. Nur sein Kopf ragte aus dem Spund hervor. Sein Gesicht war bleich, das bronzefarbene Haar zerzaust. Sein Mund stand weit offen, ohne daß er sichtbar die Lippen bewegte.
    »Demian!« rief ich mit versagender Stimme und ging näher heran. Entsetzt hob ich die Arme, als ich sah, daß kreuz und quer durch das Faß lange Eisenstäbe gesteckt waren. Ich hatte einmal im Fernsehen einen Zauberer gesehen, der seine Partnerin in eine Kiste gesetzt und dann von allen Seiten Säbel durch die Außenwände getrieben hatte. Aber hier hatte ich es nicht mit einem billigen Trick zu tun. Die dünnen Eisenstäbe hatten sich durch den Körper meines Bruders gebohrt; von den Spitzen tropfte das Blut.
    Der Gesang des Gemarterten wurde immer schriller. Ich preßte mir die Hände über die Ohren, doch die Melodie war weiter zu hören; sie fraß sich in mein Hirn und ließ sich nicht vertreiben. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen und glaubte, inmitten eines gewaltigen Chors
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