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Tod in Seide

Tod in Seide

Titel: Tod in Seide
Autoren: Linda Fairstein
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dass ich trotz des Geräuschs, das aus meiner eigenen Brust kam, sein angestrengtes Keuchen hörte. Wir waren irgendwo südlich der Seventeenth Street, und die ganze Gleisanlage lag nun deutlich vor mir. Die Gleise drehten jetzt nach Osten ab, weg von den sie umgebenden Gebäuden.
    Ich fühlte, wie mich jemand an der Jacke zog, und den Bruchteil einer Sekunde später fielen Wrenley, der sich von hinten auf mich gestürzt hatte, und ich zu Boden. Es gelang mir nicht, mich mit den Händen abzufangen, und ich krachte mit den Knien auf die eisernen Schwellen. Ein stechender Schmerz jagte durch meine Handflächen, als ich auf verrostetes Eisen, Steine und Abfall fiel. Ich drückte mich vom Boden ab und schlug mit einem Bein nach hinten aus und traf Wrenleys Kinn oder Brust – ich konnte nicht sehen, was. Sein Kopf schnellte zurück und er stöhnte. Als ich mich wieder hochgerappelt hatte, packte ich mir eine der leeren Bierflaschen, die auf den Gleisen lagen und lief weiter in Richtung Tenth Avenue.
    Ich klammerte mich an die linke Seite des Geländers, als die hoch gelegenen Gleise über ein Stück Bürgersteig führten. Ich wusste, dass Wrenley näher kommen würde, wenn ich langsamer wurde, aber ich wusste auch, dass diese vierspurige Hauptstraße unter mir meine beste Chance war, Hilfe zu bekommen. Ich hatte keine Ahnung, wie weit die Gleise noch reichen würden, und ich wollte nicht in einer Sackgasse vor einer Hausmauer enden.
    Ich konnte den Maschendrahtzaun und den Stacheldraht sehen, der sich direkt unter mir um einen Parkplatz zog. Aber unter dem Gleisabschnitt vor mir war zum ersten Mal, seit ich aus der Galerie gerannt war, kein Stacheldraht mehr, der mich aufgerissen hätte, wenn ich draufgefallen wäre.
    Ich befand mich jetzt direkt über der Bordsteinkante und sah die breite Avenue hinauf. In Gegenrichtung zu dem spärlichen Verkehr in Richtung Uptown hielten zwei Streifenwagen mit Blaulicht und heulenden Sirenen auf uns zu.
    Ich blieb stehen, hakte mich mit einem Fuß in dem eisernen Gitter des Geländers ein, stieg mit dem anderen Bein über das Geländer und blieb so über der Straße hängen, in der Hoffnung, dass mich die Polizisten leichter sehen könnten und Wrenley es schwerer hätte, an mich ranzukommen. In der rechten Hand hielt ich noch immer die Flasche und mit meiner linken hielt ich mich an einem Billboard fest, das am Geländer des Gleisgerüsts befestigt war.
    Wrenley war nun direkt über mir und griff mit beiden Armen nach mir. Seine rechte Hand, an der das Blut herunterlief, sah wie eine Straßenkarte mit eingezeichneten Straßen und Autobahnen aus. Als er meinen Hals packen wollte, zerbrach ich die Flasche an der Stahltrasse der Hi-Line und schrie ihn an, zurückzubleiben.
    Plötzlich spürte ich seine Hand auf meiner rechten Schulter. Ich verankerte meinen rechten Fuß fest im Geländer und wand mich aus seinem Griff. Meine Strumpfhose zerriss, als ich gegen die Stahlpfeiler prallte. Er griff erneut nach mir, erwischte mich an den Haaren und versuchte, mich wieder zu sich hinauf auf die Gleise zu ziehen. Während ich mich mit der Linken an das Billboard klammerte, um nicht abzurutschen, holte ich mit meiner rechten aus und schlug ihm mit der zerbrochenen braunen Flasche ins Gesicht.
    Jetzt schrie er lauter als ich, als aus einer klaffenden Wunde an der Schläfe Blut spritzte und ihm ins Auge lief.
    Er stolperte ein, zwei Schritte zurück, dann sprang er mich an wie ein wildes Tier, das bei der Jagd lebensgefährlich verletzt worden war. Seine Hände suchten wieder nach meinem Hals. Als er auf mich zuflog, verlagerte ich mein Gewicht und drückte mich mit dem Rücken flach gegen die Rückseite des Billboards.
    Von dem Blut geblendet, fiel Wrenley kopfüber über das Geländer auf die Straße.
    Ich beugte mich vor und sah, wie er, einem angefahrenen Reh auf einer dunklen Landstraße gleich, auf dem Asphalt lag. Bremsen quietschten, als die Autos versuchten, dem leblosen Körper auszuweichen.
    Innerhalb von Sekunden waren die beiden Streifenwagen von Norden her herangekommen und hielten direkt unter den Gleisen. Von oben konnte ich Brigid Brannigans Pferdeschwanz erkennen, als sie im Laufen Lazarro zubrüllte, sich die Leiche anzusehen. Dann blickte sie zu mir herauf, um zu sehen, ob die Frau, die da über dem Geländer hing und auf die Leiche von Frank Wrenley hinunterstarrte, tatsächlich ich war.
    »Sind Sie verletzt?«
    Ich schüttelte den Kopf und traute mich nicht zu sprechen. Jetzt
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