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Ein unbezaehmbarer Verfuehrer

Titel: Ein unbezaehmbarer Verfuehrer
Autoren: Elizabeth Hoyt
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1. Kapitel
Bei Einbruch der Dunkelheit gelangte Wahrsprecher auf den Gipfel des Berges und erblickte eine mächtige Burg, schwarz wie die Nacht ...
    Aus „Der Wahrsprecher"
    Schottland, Juli 1765
    E rst als die Kutsche um die letzte Wegbiegung rumpelte und die verfallene Burg sich in der Abenddämmerung auf der Anhöhe erhob, wurde Helen Fitzwilliam bewusst — und das reichlich spät —, dass diese Reise ein schrecklicher Fehler gewesen sein könnte.
    „Ist sie das?" Jamie, ihr fünfjähriger Sohn, kniete auf dem muffigen Sitzpolster der Kutsche und starrte angestrengt aus dem Fenster. „Ich dachte, es wäre eine Burg."
    „Es ist doch auch eine Burg, du Dummerchen", erwiderte seine neunjährige Schwester Abigail. „Siehst du denn nicht, dass sie einen Turm hat?"
    „Nur weil es einen Turm gibt, muss es ja keine Burg sein", gab Jamie zurück und musterte das seltsame Gemäuer mit gerunzelter Stirn. „Es hat keinen Wassergraben. Eine Burg hat immer einen Wassergraben. Also kann es gar keine richtige Burg sein!"
    „Kinder! ", fuhr Helen etwas zu scharf dazwischen, aber seit vierzehn Tagen saßen sie nun fast ununterbrochen auf beengtem Raum beisammen. „Hört bitte auf zu streiten."
    Natürlich stellten ihre beiden Sprösslinge sich taub.
    „Und rosa ist sie auch noch", quengelte Jamie weiter und drückte sich die Nase am kleinen Kutschenfenster platt, das von seinem Atem beschlug. Dann drehte er sich um und funkelte seine Schwester an. „Meinst du vielleicht, eine richtige Burg ist rosa?"
    Helen unterdrückte einen Seufzer und rieb sich die Schläfen. Seit einigen Meilen schon pochte leise ein Kopfschmerz über ihrem rechten Auge, und sie wusste, dass er genau dann unerträglich werden würde, wenn sie all ihre Sinne beisammenhaben musste. Sie hatte das Ganze nicht gründlich genug durchdacht. Aber wann war dies je der Fall gewesen? Impulsivität zog sich wie ein roter Faden durch ihr Leben, unbedachtes Handeln, das sie später in aller Ruhe bereuen durfte. Nur so konnte es kommen, dass sie im reifen Alter von einunddreißig Jahren durch diesen fernen unwirtlichen Landstrich fuhr, um sich und ihre Kinder der Barmherzigkeit eines Fremden auszuliefern.
    Wie töricht sie doch war!
    Doch bei aller Torheit sollte sie sich nun zusammenreißen und ganz genau überlegen, was sie gleich sagen würde, denn schon rollte die Kutsche aus und hielt vor dem mächtigen Burgtor.
    „Kinder!", herrschte sie die beiden an.
    Beide fuhren bei ihrem Tonfall überrascht herum. Jamie hatte die braunen Augen weit aufgerissen, während Abigails Miene eher angespannt als furchtsam war. Ihre Tochter bemerkte mehr, als für ein kleines Mädchen gut war; sie war sehr empfänglich für die Stimmungen anderer, und kein Erwachsener konnte ihr etwas vormachen.
    Helen versuchte es dennoch. Sie atmete tief durch und lächelte zuversichtlich. „So, meine Lieben, das wird ein richtig spannendes Abenteuer. Aber ihr müsst daran denken, was ich euch gesagt habe." Hier schaute sie Jamie an. „Wie heißen wir?”
    „Halifax!", rief Jamie wie aus der Pistole geschossen. „Aber ich heiße immer noch Jamie, und Abigail ist auch noch Abigail."
    „Sehr gut, mein Schatz."
    So hatten sie es kurz hinter London beschlossen, als Helen ziemlich rasch begriffen hatte, dass Jamie schlichtweg außer stande war, seine Schwester nicht bei ihrem richtigen Namen zu nennen. Helen seufzte. Es blieb zu hoffen, dass beider Vornamen zu gebräuchlich waren, als dass sie sie verraten würden.
    „Wir haben in London gelebt", sagte Abigail ernst.
    „Das ist doch leicht!", rief Jamie dazwischen. „Wir haben ja in London gelebt."
    Abigail brachte ihren Bruder mit einem tadelnden Blick zum Schweigen und setzte ihre Aufzählung fort. „Mama war im Haushalt der Dowager Viscountess Vale in Stellung."
    „Und unser Vater ist tot und kein ..." Entsetzt riss Jamie die Augen auf und schlug sich die Hand vor den Mund.
    „Müssen wir wirklich sagen, dass er tot ist?", fragte Abigail in die Stille hinein.
    „Ja, mein Schatz, denn er soll ja nicht nach uns suchen kommen." Helen schluckte; dann beugte sie sich vor und legte ihrer Tochter die Hand aufs Knie. „Es wird alles gut. Wenn wir nur ..."
    Just in diesem Augenblick wurde der Schlag aufgerissen, und der Kutscher schaute mit finsterer Miene herein. „Woll'n Sie jetzt aussteigen oder was? Sieht aus, als würd's gleich regnen, und ich will zurück in der warmen Stube sein, wenn's losgeht."
    „Natürlich." Helen nickte ihm
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