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Titan 15

Titan 15

Titel: Titan 15
Autoren: Robert Silverberg , Wolfgang Jeschke
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er seine Sinne zurückerlangte. Zurück über die Schwelle unerträglicher Schmerzen.
     
     
1
     
    Als er unter Kabel erwachte, hatte er nicht einmal das Gefühl, als hätte er soeben gecrancht. Obwohl es das zweitemal in dieser Woche war, fühlte er sich fit. Er lag entspannt in dem Stuhl. Begierig sogen seine Ohren die Laute ein, die bei der Berührung der Luft mit den Gegenständen im Zimmer entstanden. Er hörte Luci im Nebenzimmer atmen, wo sie das Kabel zum Auskühlen aufhängte. Er nahm die tausenderlei Gerüche wahr, die jeden Raum füllen: die belebende Frische des Desinfektors, die süßsaure Schärfe des Luftbefeuchters, der Duft des eben verzehrten Abendessens, die Ausdünstungen von Kleidern, Möbeln und den Menschen selber. Alles war frisch und köstlich. Spontan sang er ein paar Verse aus seinem Lieblingslied:
    »Und hoch lebe der Habermann. Ex und hopp!
    Ex, oh – und hopp! Ex und hopp!«
    Im Nebenzimmer hörte er Luci leise lachen. Er schwelgte im leichten Rascheln ihres Kleides, als sie eilig zur Tür gelaufen kam.
    Verschmitzt lächelnd schaute sie ihn an. »Du bist ja ganz schön aufgekratzt. Ist wirklich alles o.k.?«
    Trotz dieses Sinnenüberflusses checkte er. Es war der blitzschnelle Routinecheckup, der in seinem Beruf unerläßlich war. Er überflog die Instrumentenanzeigen. Alle Werte waren auf Normal – außer dem Nervendruck, der am Rande des Gefahrenfeldes hing. Doch es war sinnlos, sich über die Neurobox Gedanken zu machen. Das war immer so beim Cranchen. Man konnte nun einmal nicht unter Kabel gehen, ohne daß die Neurobox reagierte. Eines Tages würde die Box auf ›Überlastung‹ gehen und dann auf ›Tod‹ zurückfallen. Das war das normale Ende eines Habermanns. Man konnte eben nicht alles haben. Leute, die Ex-und-Hopp gingen, hatten ihren Preis für den Raum zu zahlen.
    Trotz allem aber sollte er sich Gedanken machen. Er war Checker und zwar kein schlechter, wie er wußte. Wenn er sich nicht durchchecken konnte, wer konnte es dann? Das Cranchen war nicht übermäßig gefährlich. Gefährlich zwar, aber nicht übermäßig gefährlich.
    Luci streckte eine Hand aus und strich ihm durchs Haar, als hätte sie seine Gedanken gelesen, statt ihnen bloß zu folgen: »Du weißt ja, daß du’s nicht hättest tun sollen! Hättest du’s nur bleiben lassen!«
    »Aber ich hab’s getan.« Er grinste sie an.
    Mit gezwungener Fröhlichkeit sagte sie: »Komm, Schatz, machen wir’s uns gemütlich! Ich habe fast alles im Eisschrank – all deine Lieblingsgerüche. Und ich habe zwei neue Konserven, proppenvoll mit Duft. Ich habe sie selbst ausprobiert und sogar ich habe sie gemocht. Und du weißt, wie ich bin…«
    »Was?«
    »Was meinst du mit ›was‹, Liebling?«
    Auf dem Weg aus dem Zimmer stützte er sich leicht an ihren Schultern ab. (Es war ihm unmöglich, wieder den Boden unter den Füßen zu spüren, die Luft im Gesicht, ohne verwirrt und unbeholfen zu reagieren. Als ob das Cranchen wirklich wäre und das Dasein als Habermann nur ein böser Traum. Dabei war er tatsächlich ein Habermann und zwar ein Checker.) »Du weißt doch, was ich gemeint habe, Luci… die Gerüche, die du hast. Welche von den Konserven hat dir so gefallen?«
    »Also«, meinte sie nach einigem Überlegen, »das waren Lammkoteletts… so etwa das Merkwürdigste…«
    Er fiel ihr ins Wort: »Was sind denn Lahmkoteletts?«
    »Warte, bis du’s selber riechst. Dann sollst du raten. Ich sag’ dir nur das: Sie riechen viele hundert Jahre alt. Man hat sie in den alten Büchern entdeckt.«
    »Sind Lahmkoteletts Tiere?«
    »Ich sag’ es dir nicht. Warte doch!« Sie lachte und half ihm beim Hinsitzen und breitete seine Riechnäpfe vor ihm aus. Zuerst wollte er das Abendessen mit all den schönen Dingen durchprobieren, die sie eben gegessen hatten, und sie diesmal schmecken, jetzt, wo Zunge und Lippen belebt waren.
    Inzwischen hatte Luci das Musikkabel herausgekramt und die dazugehörige Kugel in das Kraftfeld geworfen; er erinnerte sie an die neuen Gerüche. Sie holte die schlanken Konservengläser und stellte das erste in einen Transmitter.
    »So, jetzt riech mal!«
    Ein merkwürdig beängstigender, aufregender Geruch durchströmte den Raum. Er schien weder von dieser Welt zu sein, noch in das Ex-und-Hopp zu gehören. Und doch war er vertraut. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen. Der Puls beschleunigte sich etwas; er prüfte die Cardiobox. (Schneller natürlich.) Aber dieser Geruch, was war das bloß? In gespielter
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