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Titan 15

Titan 15

Titel: Titan 15
Autoren: Robert Silverberg , Wolfgang Jeschke
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Lucis Ausdruck entnahm, daß er großen Krach gemacht haben mußte, blickte er an sich hinunter und schaute nach, ob sein Bein gebrochen war. Es war noch heil. Als eingefleischter Checker mußte er auch sich selber checken. Das geschah reflexmäßig und automatisch. Die Bestandsaufnahme umfaßte Beine, Unterleib, die Schalteinheiten in seiner Brust, Hände, Arme, Gesicht und – im Spiegel – den Rücken. Dann erst fuhr er fort, sich zu ärgern. Obwohl er wußte, daß seine Frau das Gebrüll nicht ertragen konnte und es vorzog, wenn er schrieb, setzte er seine Stimme ein.
    »Wenn ich’s dir doch sage, ich muß chranchen. Ist schließlich meine Sache – oder?«
    Es gelang ihm nur teilweise, Lucis Antwort von den Lippen abzulesen: »Liebling… du bist doch mein Mann… Recht dich zu lieben… gefährlich… tu es… gefährlich… warte…«
    Er stand ihr zwar gegenüber, benutzte aber trotzdem die Stimme, so daß er sie wieder durch sein Brüllen verletzte: »Also, es bleibt dabei, ich cranche.«
    Ihr verstörter Ausdruck machte ihn betroffen und besänftigte ihn etwas. »Begreifst du nicht, was das für mich bedeutet? Diesem grauenhaften Gefängnis in meinem Schädel entkommen zu können? Wieder ein Mensch zu sein – deine Stimme zu hören, Rauch zu riechen? Wieder zu FÜHLEN – meine Füße am Boden zu spüren und den Luftzug im Gesicht? Weißt du wirklich nicht, was mir das bedeutet?«
    Ihre großäugig bekundete besorgte Teilnahme ließ seinen Ärger erneut aufflammen. Die meisten ihrer Worte entgingen ihm.
    »…liebe dich… nur dein Bestes… glaubst du denn, ich will nicht, daß du menschlich bist?… nur dein Bestes… zu viel… hat er gesagt… haben sie gesagt…«
    Er brüllte sie an und merkte sofort, daß sich seine Stimme in einem besonders schlechten Zustand befinden mußte. Es war ihm bewußt, daß der Krach ebenso verletzend für sie war wie seine Worte: »Glaubst du denn, ich wollte, daß du einen Checker heiratest? Hab’ ich dir nicht gesagt, daß wir fast so mies dran sind wie die Habermänner? Wir sind ja alle miteinander tot. Wir müssen tot sein für unsere Arbeit. Wer könnte auch sonst ins Ex-und-Hopp gehen? Hast du auch nur die leiseste Ahnung, wie der nackte, brutale Weltraum ist? Ich habe dich gewarnt. Aber du wolltest mich trotzdem. Schön, du hast einen Menschen geheiratet. Bitte, Liebling, laß mich ein Mensch sein. Laß mich deine Stimme hören, laß mich Wärme und Leben fühlen. Laß mich!«
    Ihr Ausdruck betroffener Zustimmung verriet ihm, daß er sich durchgesetzt hatte. Von nun an verzichtete er auf den Gebrauch der Stimme. Statt dessen griff er zu seiner Tafel, die wie gewöhnlich an seiner Brust hing. Mit dem zugespitzten Fingernagel der rechten Hand – dem Sprechnagel des Checkers – schrieb er in rascher, sauberer Schrift: »Btt, Lblng, w – st ds Crnch-Kabel?«
    Sie zog das lange goldbeschichtete Kabel aus ihrer Schürzentasche. Die Feldkugel ließ sie auf den Teppichboden fallen. Mit der untergebenen Gewandtheit einer Checker-Frau wickelte sie das Cranchkabel rasch und sorgfältig um seinen Kopf, dann spiralförmig um Hals und Oberkörper. Die Instrumente in seiner Brust sparte sie aus. Ebenso die strahlenverseuchten Narben um die Instrumente, Brandmale all derer, die Ex-und-Hopp gewesen waren. Automatisch hob er einen Fuß, während sie das Kabel zwischen seinen Beinen durchfädelte. Sie zog das Kabel straff, drückte den kleinen Stecker in die Überlastungskontrolle neben der Herzanzeige und war ihm beim Hinsitzen behilflich; dann legte sie ihm die Hände zurecht und bettete seinen Kopf in die Ausbuchtung in der Sessellehne. Anschließend wandte sie sich ihm zu, so daß er ihre Lippen lesen konnte. Ihr Ausdruck war gefaßt.
    Sie kniete sich hin, verband die Kugel mit dem anderen Ende des Kabels, richtete sich wieder auf und stand ruhig da, den Rücken ihm zugekehrt. Er checkte sie durch, doch ihre Haltung verriet nichts als einen geheimen Kummer, den niemand außer einem Checker bemerkt haben würde. Sie sagte etwas: Er sah die Bewegung ihrer Oberkörpermuskulatur. Da fiel ihr ein, daß er ihr Gesicht nicht sehen konnte, und sie wandte sich ihm zu.
    »Bist du bereit?«
    Er lächelte bejahend.
    Wieder wandte sie ihm den Rücken zu. (Luci konnte es nie ertragen, ihn unter Kabel zu sehen.) Sie warf die Feldkugel in die Luft. Sie fing sich im Kraftfeld, blieb hängen. Plötzlich glühte sie. Das war alles. Alles – außer dem jähen, rot stinkenden Brausen, mit dem
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