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Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007

Titel: Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007
Autoren: Richard Dübell
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Prolog
    E ine Botschaft, dachte der Abt. Aber nein … welche Botschaft könnte ich mir ausdenken, die wichtig genug ist, dass ich sie dem Heiligen Vater selbst überbringe? Wenn sie nicht plausibel ist, schickt er mich wieder zurück, und dann muss ich die verdammte Reise zweimal machen – wo es schon fraglich ist, sie auch nur einmal zu überleben … Vielleicht ein Geschenk?
    »Man muss dem Heiligen Vater Bericht erstatten«, sagte die Äbtissin. »Vielleicht kann er das Leid unseres Landstrichs lindern.«
    Ein Geschenk – aber was? Kirchenschmuck? Hier, Heiliger Vater, ich bin in eigener Person aus Parma angereist, um Euch diese schöne Monstranz zu bringen. Sie ist ein wenig angesengt, weil sie aus einer der vielen Kirchen stammt, die niedergebrannt worden sind … Der Abt schüttelte sich.
    »In Rom hat man die schlimmen Gerüchte gehört«, sagte Bruder Girolamo.
    Na klar, dachte der Abt. Papa Giulio Guerriero gehört ja auch zu denen, deren Armeen hier im Norden die Felder zertrampeln. Im gleichen Atemzug seufzte er in sich hinein: Ach, Rom!
    »Deshalb hat man meine beiden Mitbrüder und mich hierhergeschickt, um uns umzusehen und Nachricht zurückzubringen«, sagte Bruder Girolamo. »Mit Ihrer Erlaubnis, ehrwürdiger Vater, ehrwürdige Mutter, möchte ich Ihnen gern berichten, was ich dem Heiligen Vater mitzuteilen habe.«
    Rom, dachte der Abt. So weit weg von hier. So herrlich weit weg. War die letzte Armee, die Rom bedroht hat, die von Hannibal? Wie auch immer, das Beste, das man derzeit von Rom sagen kann, ist, dass die Stadt ein paar Tagesreisen von hier entfernt und ein ganzer Gebirgszug dazwischenliegt.
    »Wir wissen, dass unsere Schäflein überall leiden«, sagte die Äbtissin. »Obwohl nur bruchstückhaft Neuigkeiten hinter diese Mauern dringen. Berichte uns, Bruder Girolamo.«
    Ich muss irgendeinen Weg finden, nach Rom zu gelangen und so lange dort zu bleiben, bis der Wahnsinn sich hier gelegt hat, dachte der Abt. Nicht, dass ich damit rechne, in diesem Leben noch mal zurückzukommen. Dafür dauert der Wahnsinn schon viel zu lange.
    »Vielleicht finden wir dann auch einen Weg, wie wir unserer Herde helfen können, was meinen Sie, ehrwürdiger Vater?«
    Die Herde?, dachte der Abt. Die Herde ist nichts. Der Schäfer ist es, auf den es ankommt – Schafe gibt es überall. Wenn du willst, dann bleib hier, du alte Kogge, und behüte die verdammten Hungerleider, denen man das Dorf unterm Hintern weggebrannt hat. Lass dir von deinen dürren Weibern helfen, besonders von der Jungen da, die du zu unserem Gespräch mitgebracht hast und die mich schon die ganze Zeit anstarrt, als wollte sie mir in den Schädel gucken. Ich mache mich aus dem Staub, sobald ich einen guten Grund gefunden habe, nicht gleich wieder vom Heiligen Vater zurückgeschickt zu werden.
    »Dem Schutz unserer Herde dient unser ganzes Trachten und unser Lebenszweck. Dafür sind wir auf der Welt«, sagte der Abt laut und nickte Bruder Girolamo gemessen zu. Dann schenkte er der jungen Klosterschwester ein väterliches Lächeln.
    Er hatte keine Ahnung, dass Schwester Magdalena Caterina in seinen Gedanken lesen konnte wie in einem offenen Buch.
    »Norditalien ist ein gesegnetes Land. Es heißt, dass Gottes Hand von jeher darauf liegt«, sagte die Äbtissin. »Wenn sie leicht darauf ruht, gibt es im richtigen Maß Sonne und Regen, Trockenheit und Überschwemmung, Anbauflächen und Wälder voll Niederwild, Straßen und schiffbare Flusswege, Gemüse und Kräuter im Frühling, Getreide im Sommer, Wein und Kastanien im Herbst.«
    Und jenen mildsanften Nieselregen in blau verschwimmender Stille, die alles einhüllt und zur Ruhe bringt im Winter, dachte Schwester Magdalena. Die mein Herz aufschreien lässt, weil ich den Horizont nicht sehe und mich nur auf den Glauben verlassen kann, dass es jenseits des Nebels noch eine Welt gibt; weil das Leben im Winter noch zäher verläuft als sonst und ich jeden Tag Zeit habe, mir die Frage zu stellen: Wozu bin ich auf der Welt?
    »Und wenn sie schwer darauf liegt«, fuhr die Äbtissin fort, »dann bringt sie Hitze und Kälte im Ungleichgewicht, verheerende Unwetter, Winterstürme, Überschwemmungen, Malaria und Ernteschädlinge und dann und wann einen Kaiser des Reichs, der entweder wie Friedrich Barbarossa die Städte niederbrennt oder wie Maximilian das Land als Exerzierplatz für seine Kriegstaktiken missbraucht.«
    »Kriege kommen von den Menschen, nicht von Gott«, murmelte der Abt, der nur
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