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Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007

Titel: Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007
Autoren: Richard Dübell
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Landsknechtsheeren in die Haare, die noch ein bisschen verarmter, ein bisschen verrohter, ein bisschen skrupelloser sind.«
    »Wenn auch nicht im gleichen Maß syphilitisch, was daran liegt, dass die deutschen Landsknechte ihre Huren aus der Heimat mitgebracht haben«, sagte die Äbtissin zornig. »So viel haben wir schon gehört!«
    Aus dem Herzen des Abtes flog ein besorgter Vogel und trug die erschrockene Frage mit sich, ob die Magd, der der Abt letztens nach der Beichte Trost gespendet hatte, etwa von einem syphilitischen Spanier oder Franzosen geschändet worden war, sowie die Hoffnung, dass es ein deutscher Landsknecht gewesen sein mochte. »Fahr fort, Bruder Girolamo«, sagte die Äbtissin.
    »Sie alle tragen ihre Schlachten auf den Feldern und in den Dörfern der Menschen in Norditalien aus«, sagte Bruder Girolamo. »Und wenn sich der Staub über dem Totenacker lichtet, kommen die Schlimmsten von ihnen heran, die Aasfresser, die struppigen, zerlumpten, hinterlistigen Wölfe – die Haufen der condottieri !«
    In Magdalenas besonderem Sinn färbte sich die Flamme von Bruder Girolamos Gedanken dunkel. Das ist nicht wahr, dachte sie, während der Mönch ausholte und von Städten wie Venedig, Florenz oder Genua sprach, die zweihundert Jahre lang ihre Streitigkeiten mit käuflichen Söldnern ausgetragen hatten, damit ihre eigene Bevölkerung sich der lukrativeren Beschäftigung des Geldverdienens hingeben konnte. Nicht, dass die Laufbahn des condottiere selbst nicht auch lukrativ gewesen wäre … Sie erinnerte sich an die Geschichten, die ihr Großvater ihr in einer Ecke der streng nach Farbe riechenden Werkstatt erzählt hatte, wenn weder der Vater noch die großen Brüder Zeit hatten für das kleine Mädchen. Klingende Namen kamen ihr in den Sinn: Malatesta da Verrucchio, der spätere Herr von Rimini; Castruccio Castracane, Herr über Lucca; John Hawkwood, dem sie in Florenz ein Denkmal errichteten; Facino Cane de Casale, der eine byzantinische Prinzessin zur Frau gewann; Muzio Attendolo Sforza, dessen Söhne als Herzöge nach Mailand gingen – bis der französische König hundert Jahre später Mailand in seine Gewalt brachte –, und viele andere, die entweder Herzöge oder Bischöfe oder wenigstens reich wurden, indem sie nichts weiter taten, als mit ihrem Auftraggeber und dessen Feind gleichermaßen geschickt zu verhandeln, im Bedarfsfall die Seiten zu wechseln und im Übrigen dafür zu sorgen, dass die Schlachten, die ihre Männer gegeneinander führten, möglichst grandios und dramatisch aussahen, möglichst wenig Blut dabei vergossen wurde und vor allem möglichst wenig Besitz der Zerstörung anheimfiel. Der Schutz des Besitzes war es ja nicht zuletzt, der ihre Existenz begründete.
    Und warum gibt es keine condottieri mehr?, fragte das kleine Mädchen in Magdalenas Erinnung, das die Antwort auf diese Frage längst kannte, aber den Redefluss des alten Mannes, auf dessen Knien es saß, nicht zum Versiegen bringen wollte. Sind sie alle gestorben?
    Genau, pflegte Magdalenas Großvater zu sagen. Weil sie einen Ehrenkodex hatten. Weil sie ihm nicht untreu werden wollten. Und – unweigerlich und zu Magdalenas stillem Entzücken – glitten die Gedanken ihres Großvaters nach diesen Worten zuverlässig zurück in die Zeit, als die Werkstatt noch ihm gehört hatte. Als die condottieri, sobald sie den Franzosen, den Spaniern, den Deutschen, den Schweizern gegenüberstanden, ihre Champions vortreten ließen und den Gegner aufforderten, seine eigenen besten Kämpfer zum Duell heraustreten zu lassen, anstatt Tausende von Mann sich gegenseitig abschlachten zu lassen. Die condottieri handelten, wie es ihr Ehrenkodex vorgab – und sahen schockiert, wie ihre fähigsten Leute unter einem kurzen, brutalen Hagel von anonymen Pfeilen und Armbrustbolzen zusammenbrachen. Sie ließen ihre Reiterei und Fußsoldaten brüllend und singend und fahneschwenkend in die Reihen der Gegner hineinstürmen, die lediglich ihre Spieße auf dem Boden verankern, nach vorn senken und standhaft bleiben mussten, während die Angreifer sich selbst daran aufspießten. Sie ritten an der Spitze ihrer Männer in die Schlacht, und wenn sie röchelnd unter ihrem sterbenden Pferd lagen und ungläubig realisierten, dass sie von den langen Piken der Schweizer, den Pfeilen der Engländer, den Musketenkugeln der Franzosen und den Bolzen der Spanier zerfetzt worden waren und dass nicht ein gleichwertiger Anführer des Gegners sie besiegt hatte, sondern
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