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Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007

Titel: Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007
Autoren: Richard Dübell
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eine anonyme Gruppe von ungewaschenen Soldaten, die zufällig dort gestanden hatten, wohin sie galoppiert waren – wenn sie mit verlöschendem Blick zu dem Hügel hinübersahen, auf dem sich die Anführer des Gegners weit hinter den Kampfhandlungen aufhielten und ihr Sterben mitleidlos betrachteten, dann war es für das Eingeständnis zu spät, dass die Zeit irgendwie an ihnen vorbeigelaufen war.
    »Malatesta da Verrucchio, Castruccio Castracane, John Hawkwood«, sagte Bruder Girolamo. »Verfluchte, mörderische Wölfe. Bartolomeo d’Alviano, Nicolo di Pitigliano – Raubtiere. Sie sind alle tot und jammern im neunten Kreis der Hölle um die Erlösung, die sie nie erhalten werden. Doch es gibt einen von ihnen, der immer noch sein Unwesen treibt – den schlimmsten von allen, den die anderen Todsünder nicht einmal in ihre Nähe gelassen hätten, wenn er dafür bezahlt hätte. Im Vergleich zu ihnen ist er nicht einmal ein Wolf, sondern ein Hund; aber ein entlaufener, streunender Hund, der zudem noch tollwütig ist. Er hat all die anderen streunenden, tollwütigen Hunde um sich gesammelt und zieht durch das Land: eine Bestie in Menschengestalt, ein Ungeheuer mit einem Herzen aus Hass, ein Teufel aus der Hölle, dessen Haufen um nichts weniger teuflisch ist als ihr Anführer.«
    Magdalena spürte die Stille im Kapitelsaal. Die aufgescheuchten Gedanken des Abtes schienen plötzlich vor Schreck wie gelähmt zu sein. Im Herzen der Äbtissin hallte Schweigen wider, als hätten die hinter der undurchdringlichen Mauer gefangen gehaltenen Flüsterer erschrocken den Atem angehalten. Bruder Girolamo hatte hektische rote Flecken auf den Wangen und kleine weiße Schaumhalbmonde in den Mundwinkeln.
    »Ich spreche von Konrad von Landau und seiner Schwarzen Schar. Man hat mir gesagt, dass, wenn man seinen Namen in einer Kirche ausspricht, die Glocken beben und das Weihwasser kocht. Im großen Dom von Piacenza hat der Herrgott am Kreuz blutige Tränen geweint, als die Gemeinde um Erlösung von diesem Teufel betete. Niemand weiß, wo er herkommt. Es heißt, die Hölle habe ihn ausgespuckt, weil er Luzifer selbst bedroht hat, und habe ihm so viele Dämonen zur Seite gestellt, wie er sich gewünscht hat, um die Christenheit zu terrorisieren. Es heißt, in ihm wohnt die verdammte Seele von Sulla dem Verräter, Julius Cäsar dem Eroberer, Theoderich dem Höllenreiter oder Attila der Gottesgeißel; er ist nicht menschlich oder hat vergessen, dass er einmal ein Mensch gewesen ist, er kann nicht in den Himmel gelangen und wird in die Hölle nicht eingelassen, eine wandernde Seele, ein Verdammter zwischen den Winden, schlimmer noch verflucht als der Mann, der den Herrn Jesus Christus auf dem Weg zur Schädelstätte nicht unter seinem Dach hatte rasten lassen, verlorener noch als Kain der Brudermörder. Wer ihn angreift, wird mit Blitz und Höllenfeuer zurückgeschlagen; wer ihm in den Weg kommt, wird zermalmt wie Ungeziefer unter den Klauen eines Drachen. Das ist Konrad von Landau und seine Schwarze Schar, ehrwürdige Mutter: eine Armee von Geistern, ein Heerwurm aus Hass – absolut mörderisch, absolut gnadenlos, absolut tödlich.«
    Bruder Girolamo holte tief Atem.
    »Dies ist die andere Antwort auf die Fragen der Menschen, warum sie leiden, ehrwürdige Mutter, und sie hat nichts Theologisches: Weil es die Schwarze Schar gibt. Und deshalb glaube ich auch, dass die Hand Gottes nicht schwer auf Norditalien lastet – denn wo Konrad von Landau und seine Armee sich nähern, zuckt selbst die Hand des Herrn zurück.«
    Nach diesen Worten, die von den Wänden des Kapitelsaals zurückprallten und den Raum zwischend den Säulen füllten, dauerte das Schweigen lange. Die Äbtissin warf Magdalena einen Seitenblick zu, den diese nicht deuten konnte, aber nach der Zurechtweisung hatte sie ohnehin nicht vorgehabt, sich noch einmal in das Gespräch zu mischen.
    »Es ist also nicht ratsam, die schützenden Mauern zum Beispiel des Klosters zu verlassen und über Land zu ziehen?«, fragte die Äbtissin zuletzt.
    »Es ist lebensgefährlich.«
    »Bruder Girolamo«, sagte die Äbtissin, »dich hat der Herr im rechten Augenblick zu uns geschickt. Ich weiß nun, wie ich mich verhalten muss, um meine Schäflein zu schützen.«
    Sie lächelte Magdalena unerwartet an. Instinktiv horchte diese mit ihrem besonderen Sinn nach den Signalen der Äbtissin, aber wie gewöhnlich vernahm sie nur das unartikulierte Flüstern der eingesperrten Gedanken hinter ihren
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