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Titan 15

Titan 15

Titel: Titan 15
Autoren: Robert Silverberg , Wolfgang Jeschke
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Bestürzung ergriff er ihre Hände, schaute ihr in die Augen und stieß hervor:
    »Sag’s mir, Schatz! Sag’s mir, oder ich fress’ dich mit Haut und Haaren!«
    »Das ist ganz richtig!«
    »Was?«
    »Du hast recht. Es soll dir Lust machen, mich zu essen. Es ist Fleisch.«
    »Fleisch – wer?«
    »Kein Mensch«, meinte sie mit überlegenem Wissen. »Ein Tier. Ein Tier, das die Menschen früher gegessen haben. Ein Lamm war ein kleines Schaf. Draußen in der Wildnis hast du doch schon Schafe gesehen, nicht? Und ein Kotelett ist ein Stück aus der Mitte – hier!« Sie deutete auf ihre Rippen.
    Martel hörte sie nicht. Alle seine Anzeigegeräte signalisierten Alarm, einige sogar Gefahr. Er kämpfte gegen das Brausen in seinem Kopf an und zwang seinen Körper in große Erregung. Wie leicht war es, ein Checker zu sein, wenn man eigentlich außerhalb seines eigenen Körpers stand, habermannartig, und nur mit den Augen Verbindung zu sich selbst hatte. Dann konnte man Kontrolle über seinen Körper ausüben, ihn kalt beherrschen, selbst in Momenten der Raumagonie. Wenn man aber erlebte, daß man ein Körper WAR, daß dies Ding einen im Griff hatte, daß der Geist das Fleisch peitschen und es in sinnlose Panik versetzen konnte! Das war beunruhigend.
    Er versuchte sich an die Tage vor seinem Habermanndasein zu erinnern, vor der Operation für das Ex-und-Hopp. War er immer Gefühlsströmen zwischen Geist und Körper, Körper und Geist unterworfen gewesen, die ihn so durcheinanderbrachten, daß er nicht mehr richtig checken konnte? Aber damals war er doch noch kein Checker.
    Auf einmal wußte er, was in ihn gefahren war. Sein eigener Pulsschlag dröhnte ihm in den Ohren, doch immerhin wußte er es jetzt. Im Alptraum des Ex-und-Hopp war jener Geruch schon auf ihn eingedrungen; ihr Schiff hatte nahe der Venus zu brennen angefangen, und die Habermänner hatten alle Kräfte aufgeboten, um das schmelzende Metall mit bloßen Händen zusammenzuhalten. Damals hatte er gecheckt: Alle waren in Gefahr gewesen. Überall zeigten die Instrumentenboxen auf ›Überlastung‹ und fielen auf ›Tod‹ zurück, während er sich von Mann zu Mann arbeitete, schwebende Leichen aus dem Weg schob und alles einsetzte, um jeden einzelnen durchzuchecken, unbemerkt gebrochene Beine mit Schraubblöcken zu fixieren und bei Männern, die der Überlastung hoffnungslos nahe waren, das Schlaf-Ventil zuschnappen zu lassen. Die Männer versuchten zu arbeiten und verfluchten den lästigen Checker, und er kämpfte mit beflügeltem Berufseifer darum, seine Arbeit zu tun und in der großen Qual des Raums zu überleben. – Damals hatte er diesen Geruch wahrgenommen. Er war durch irgendwelche nachgewachsenen Nervenbahnen vorgedrungen, vorbei an den Habermannschnitten, vorbei an allen Sicherungen seiner körperlichen und geistigen Disziplin. In der Stunde der großen Katastrophe hatte er deutlich gerochen. Er erinnerte sich noch genau, es war ein schlechter Cranch gewesen, verbunden mit Schrecken und Chaos um ihn herum. Er hatte sogar seine Arbeit unterbrochen und sich selbst gecheckt, da er fürchtete, der Primäreffekt möge eintreten, alle Habermannschnitte durchbrechen und ihn in der großen Qual des Raumes zugrunde gehen lassen. Aber er war durchgekommen. Seine eigenen Instrumente blieben beharrlich im Gefahrenfeld, ohne sich der Überlastungsmarke zu nähern. Er hatte seine Arbeit getan und eine Auszeichnung dafür erhalten. Und schließlich hatte er sogar das brennende Schiff vergessen.
    Alles, außer dem Geruch.
    Und hier war auf einmal wieder dieser Geruch. Der Geruch von Fleisch und Feuer…
    Luci sah ihn mütterlich besorgt an. Offenbar glaubte sie, er habe zu stark gecrancht und sei dabei, in den Habermannzustand zurückzufallen. Angestrengt versuchte sie gute Laune zu zeigen: »Leg dich lieber ein bißchen hin, Schatz!«
    Er flüsterte: »Mach… den… Geruch… weg!«
    Sie stellte keine Fragen. Sofort schaltete sie den Transmitter ab, ging sogar und stellte die Klimaanlage auf Höchstleistung, bis eine kleine Brise über den Boden strich und die Gerüche an die Decke trieb.
    Steif und müde stand er auf. (Seine Instrumente zeigten nun wieder Normalwerte, nur der Puls ging noch zu schnell, und die Neurobox stand noch immer kurz vor dem Gefahrenfeld.) Traurig meinte er:
    »Luci, vergib mir. Ich glaube, ich hätte nicht cranchen sollen. Nicht schon wieder. Liebling, aber ich kann nicht ewig ein Habermann sein. Wie kann ich dir je nahe sein? Wie kann ich
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