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Titan 15

Titan 15

Titel: Titan 15
Autoren: Robert Silverberg , Wolfgang Jeschke
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zusammen, war sich aber bewußt, daß die Frage freundlich gemeint war. Niemand konnte gutmütiger sein als der bullige Pole.
    »Vomact hat angerufen. Top-Notstand.«
    »Hast du ihm gesagt, daß du gecrancht bist?«
    »Ja.«
    »Und trotzdem mußtest du kommen?«
    »Ja.«
    »Dann ist… das alles nicht für den Raum? Du könntest jetzt nicht Ex-und-Hopp gehen? Du bist so wie die ANDEREN?«
    »So ist es.«
    »Dann – warum hat er uns einberufen?« Eine alte Prähabermanngewohnheit veranlaßte Parizianski fragend mit den Armen zu rudern. Eine Hand traf den Rücken des alten Mannes hinter ihm. Der Schlag war im ganzen Raum zu hören, doch nur Martel nahm ihn wahr. Instinktiv checkte er Parizianski und den alten Checker. Die beiden checkten ihn ebenfalls und fragten dann nach dem Grund. Erst da verlangte der alte Mann zu wissen, warum Martel ihn gecheckt hätte. Als Martel erklärte, er stünde unter Kabel, verschwand der alte Mann eilig, um die Nachricht zu verbreiten, daß sich ein gecranchter Checker in der Einzugs-Zentrale befinde.
    Selbst diese kleine Sensation konnte die Aufmerksamkeit der meisten Checker nicht von der Sorge über den Top-Notstand ablenken. Ein junger Mann, der erst im vergangenen Jahr seinen ersten Transit gecheckt hatte, stellte sich breitbeinig vor Parizianski und Martel auf. Dramatisch hielt er ihnen seine Tafel hin:
    »st Vmct vrrckt?«
    Die beiden Älteren schüttelten den Kopf. Martel, der daran dachte, daß der junge Mann noch vor nicht langer Zeit Habermann gewesen war, linderte die starre Verneinung mit einem freundlichen Lächeln. Er sprach ihn mit seiner normalen Stimme an:
    »Vomact ist der Dienstälteste unter den Checkern. Ich bin sicher, er könnte überhaupt nicht verrückt werden. Würde er es nicht sofort an seinen Instrumenten merken?« Martel mußte die Frage wiederholen und langsam und sorgfältig artikulieren, bevor der junge Checker seine Bemerkung verstehen konnte. Der junge Mann versuchte auf sei
    nem Gesicht ein Lächeln zu zeigen, brachte jedoch nur eine groteske Grimasse zustande. Aber er nahm seine Tafel und kritzelte darauf:
    »S hbn rcht.«
    Chang machte sich von seinem Freund los und kam herüber; sein Chinesengesicht glühte an dem warmen Abend. (Merkwürdig, dachte Martel, daß nicht mehr Chinesen es zum Checker bringen. Oder vielleicht doch nicht, wenn man bedenkt, daß sie nie ihre Habermannquote erfüllen. Die Chinesen hängen zu sehr am guten Leben. Aber sie geben gute Checker ab.) Chang sah, daß Martel gecrancht war und sprach stimmlich:
    »Das ist ja noch nie dagewesen. War Luci sehr böse, dich schon wieder zu verlieren?«
    »Sie trägt’s mit Fassung. Chang, das ist komisch.«
    »Was?«
    »Ich bin gecrancht und kann hören. Deine Stimme klingt tadellos. Wie hast du bloß gelernt wie… die Anderen zu sprechen?«
    »Ich habe mit Tonbändern geübt. Lustig, daß du es überhaupt gemerkt hast. Ich glaube, ich bin der einzige Checker auf oder zwischen den Erden, der sich für einen Anderen ausgeben kann. Spiegel und Tonband. Ich muß richtig schauspielern.«
    »Nicht aber, daß…?«
    »Nein. Ich höre, schmecke oder fühle ebensowenig wie die anderen Checker. Das Sprechen nützt mir eigentlich nicht viel. Aber ich mer
    ke, daß es die Leute in meiner Umgebung entspannter macht.«
    »Das würde Lucis ganzes Leben verändern.«
    Chang nickte verständnisvoll. »Mein Vater hat darauf bestanden. Er hat gesagt: ›Du bist vielleicht stolz, ein Checker zu sein. Aber ich bedaure zutiefst, daß du kein Mensch mehr bist. Verbirg deine Gebrechen.‹ Und ich habe es versucht. Ich wollte dem alten Herrn vom Ex-und-Hopp erzählen und von unserer Arbeit da oben – aber alles umsonst. Er hat nur gesagt: ›Konfuzius war mit einem Flugzeug zufrieden, ich bin es auch.‹ Immer noch derselbe Unsinn! Da bemüht er sich krampfhaft, ein Chinese zu sein, und kann nicht einmal die altchinesische Schrift lesen. Aber einen prächtigen Menschenverstand hat er, und dafür, daß er fast zweihundert ist, kommt er wirklich in der Welt rum.«
    Martel lächelte bei der Vorstellung. »In seinem Flugzeug?«
    Chang erwiderte sein Lächeln. Es war erstaunlich, wie er seine Gesichtsmuskulatur im Griff hatte. Kein Anwesender wäre darauf gekommen, in Chang einen Habermann zu vermuten, der seine Augen, Backen und Lippen mit kalt rationaler Überlegung steuerte. Sein Ausdruck wirkte lebendig und spontan. Ein Anflug von Neid überkam Martel, als er seine Augen über die kalten, toten Gesichter
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