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Titan 15

Titan 15

Titel: Titan 15
Autoren: Robert Silverberg , Wolfgang Jeschke
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war verschwunden. Ich war froh, daß ich ihn nicht getötet hat
    te…
    Nach tausend Jahren trat M’Cwyie ein.
    »Deine Aufgabe ist beendet«, sagte sie. Ich regte mich nicht.
    »Die Prophezeiung ist erfüllt«, sagte sie. »Mein Volk freut sich. Du hast gewonnen, heiliger Mann. Aber jetzt verlaß uns schnell!«
    Mein Geist war ein leerer Ballon. Ich pumpte wieder etwas Luft hinein.
    »Ich bin kein heiliger Mann«, sagte ich, »bloß ein zweitrangiger Dichter, der schwer unter seiner Hybris leidet.«
    Ich zündete mir die letzte Zigarette an, die ich hatte.
    Schließlich fragte ich: »Schön, was für eine Prophezeiung?«
    »Das Versprechen des Locar«, erwiderte sie, als wäre jede Erklärung unnötig, »daß ein heiliger Mann aus dem Himmel herabsteigen würde, um uns in unseren letzten Stunden zu retten, wenn all die Tänze des Locar vollendet wären. Er würde die Faust des Malann besiegen und uns das Leben bringen.«
    »Wie?« »Wie mit Braxa und wie das Beispiel im Tempel.« »Beispiel?« »Du hast uns seine Worte gelesen, seine Worte so groß wie die Lo
    cars. Du hast uns vorgelesen, daß es ›nichts Neues unter der Sonne gibt‹. Und du hast seine Worte verspottet, als du sie lasest, und uns etwas Neues gezeigt.
    Es hat noch nie eine Blume auf dem Mars gegeben«, sagte sie, »aber wir werden lernen, sie zu züchten. Du bist der ›geheiligte Spötter‹«, schloß sie, »du bist Der-der-Im-Tempel-Spott-Treiben-Muß – du trittst mit Schuhen auf heiligen Grund.«
    »Aber sie haben doch mit ›Nein‹ gestimmt«, sagte ich.
    »Wir haben dafür gestimmt, unseren ursprünglichen Plan nicht durchzuführen und statt dessen Braxas Kind am Leben zu lassen.«
    »Oh.« Die Zigarette fiel mir aus der Hand. Wie knapp das doch ge
    wesen war! Wie wenig hatte ich gewußt!
    »Und Braxa?«
    »Man hat sie vor einem halben Zeitraum ausgewählt, um zu tanzen, auf Sie zu warten.«
    »Aber sie sagte, Ontro würde mich aufhalten.«
    M’Cwyie stand lange reglos da.
    »Sie hat selbst nie an eine Prophezeiung geglaubt. Um sie steht es jetzt nicht gut. Sie rannte weg, fürchtete, daß sie zuträfe. Und als Sie sie vollendeten und wir abstimmten, da wußte sie es mit Sicherheit.«
    »Dann liebt sie mich nicht? Hat mich nie geliebt?«
    »Es tut mir leid, Gallinger, das war der eine Teil ihrer Pflicht, den sie nie zustande brachte.«
    »Pflicht«, sagte ich ausdruckslos. »Pflicht? Pflicht?«
    »Sie hat Lebewohl gesagt. Sie will Sie nicht mehr sehen, aber wir werden Ihre Lehren nie vergessen«, fügte sie hinzu.
    »Tun Sie das nicht«, sagte ich gedankenlos und erkannte plötzlich das große Paradoxon, das im Herzen aller Wunder liegt. Ich glaubte kein Wort meiner eigenen Predigt, hatte nie eines davon geglaubt.
    Wie ein Betrunkener stand ich da und murmelte: »M’narra.«
    Dann ging ich hinaus, zu meinen letzten Tagen auf dem Mars.
    Ich habe dich besiegt, Malann, und der Sieg ist dein! Ruhe sanft auf deinem Bett aus Sternen. Gottverdammt!
    Ich ließ meinen Jeepster stehen und ging zur Aspik zurück. Die Bürde des Lebens wollte ich so viele Schritte wie möglich hinter mir lassen. Ich ging in meine Kabine, schloß die Tür ab und nahm vierundvierzig Schlaftabletten.
    Aber als ich erwachte, lag ich in der Krankenstation, lebte.
    Ich spürte das Donnern der Motoren, während ich langsam aufstand und es irgendwie bis zur Luke schaffte.
    Verschwommen hing der Mars wie ein angeschwollener Leib über mir, bis er sich auflöste, überfloß und über mein Gesicht strömte.
     
    Aus dem Amerikanischen übersetzt von Heinz Nagel
     
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