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Titan 15

Titan 15

Titel: Titan 15
Autoren: Robert Silverberg , Wolfgang Jeschke
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Tanzes war, dann stand mir einiges bevor.
    »Geh hinein!« sagte ich zu Braxa. »Gib M’Cwyie die Rose. Sag ihr, daß ich sie geschickt habe. Sag ihr, ich käme gleich.«
    »Ich werde tun, was du verlangst. Denk auf der Erde an mich, Gallinger. Leb wohl!«
    Ich gab ihr keine Antwort, und sie ging mit der Rose an Ontro vorbei in den nächsten Raum.
    »Werden Sie jetzt gehen?« fragte er. »Wenn Sie wollen, werde ich ihr sagen, daß wir gekämpft haben und Sie mich beinahe geschlagen hätten, aber dann habe ich Sie bewußtlos geschlagen und Sie zu Ihrem Schiff zurückgetragen.«
    »Nein«, sagte ich, »ich gehe entweder um Sie herum oder über Sie hinweg, aber jedenfalls gehe ich hier hinein!«
    Er duckte sich, breitete die Arme aus.
    »Es ist eine Sünde, Hand an einen heiligen Mann zu legen«, polterte er, »aber ich werde Sie aufhalten, Gallinger.«
    Meine Erinnerung war ein beschlagenes Fenster, das plötzlich der frischen Luft ausgesetzt wurde. Die Dinge gewannen an Schärfe.
    Ich blickte sechs Jahre zurück.
    Ich war ein Student der ostasiatischen Sprachen an der Universität Tokio. Es war mein freier Abend. Ich stand in einem Kreis von zehn Meter Durchmesser im Kodokan, den ›Judogi‹ mit einem braunen Gürtel um die Hüften geschlungen. Ich war ein ›Ickyu‹, eine Stufe unter dem niedrigsten Grad des Experten. Ein braunes Symbol über meiner rechten Brust sagte auf japanisch ›Jiu-Jitus‹, in Wirklichkeit bedeutet es ›Atemiwaza‹ wegen der einen Schlagtechnik, die ich mir ausgearbeitete hatte. Sie war ganz besonders für meine Größe geeignet, und ich hatte mit ihr schon Wettkämpfe gewonnen.
    Aber ich hatte sie nie gegen einen Menschen eingesetzt, und es lag fünf Jahre zurück, daß ich zuletzt geübt hatte. Ich war nicht in Form, das wußte ich, aber ich mühte mich darum, meinen Geist dazu zu zwingen ›Tsuki no Kokoro‹ zu sein und wie der Mond Ontro in seiner Gänze zu reflektieren.
    Von irgendwoher aus der Vergangenheit sagte eine Stimme: »Hajime, fangt an.«
    Wie automatisch verfiel ich in meine ›Neko-ashi-dache‹-Haltung, die der einer Katze glich, und seine Augen brannten fremdartig. Er beeilte sich, seine eigene Position zu korrigieren, aber ich schlug eher zu!
    Mein einziger Trick!
    Mein langes linkes Bein zuckte hoch wie eine gebrochene Feder. Zwei Meter vom Boden entfernt traf mein Fuß seine Kinnlade, als er versuchte nach rückwärts zu springen.
    Sein Kopf schnappte zurück, und er stürzte. Ein weiches Stöhnen entwich seinen Lippen. Das wäre alles, dachte ich. Tut mir leid, alter Junge.
    Als ich noch etwas benommen über ihn hinwegstieg, brachte er mich zu Fall, und ich stürzte auf ihn. Ich konnte nicht glauben, daß er nach diesem Schlag noch genügend Kraft besaß, bei Bewußtsein zu bleiben, ganz davon abgesehen, daß er sich auch noch bewegen konnte. Mir widerstrebte es, ihm noch mehr weh zu tun.
    Aber er fand meine Kehle und schob den Arm darüber, ehe ich erkannte, daß hinter seinem Verhalten eine Absicht stand.
    Nein! Laß es nicht so enden!
    Es war eine Stange aus Stahl, die über meiner Luftröhre, meiner Schlagader lag. Und dann erkannte ich, daß er immer noch bewußtlos war und ich nur einem Reflex zum Opfer gefallen war, den zahllose Jahre des Trainings in ihm herangebildet hatten. In Shiai sah ich einmal, wie das vor sich geht. Der Mann war gestorben, er war erstickt, aber er kämpfte immer noch weiter, und sein Gegner glaubte, den Griff nicht richtig angewandt zu haben. Er mühte sich ab im Kampf mit einem Toten.
    Aber es war selten, so selten!
    Ich trieb ihm den Ellbogen in die Rippen und stieß ihn mit dem Hinterkopf ins Gesicht. Der Griff lockerte sich, aber nicht genug. Ich tat es ungern, aber ich griff hoch und brach ihm den kleinen Finger.
    Der Arm lockerte sich, und ich konnte mich endlich freiarbeiten.
    Da lag er jetzt, keuchend, das Gesicht verzerrt. Mein Herz neigte sich vor dem gestürzten Riesen, der sein Volk verteidigte und seine Religion und ihren Befehlen gehorchte. Ich verfluchte mich selbst, wie ich es noch nie zuvor getan hatte, daß ich über ihn hinweggestiegen war, statt um ihn herumzugehen.
    Ich taumelte durch den Raum zu dem kleinen Bündel meiner Habseligkeiten. Dann setzte ich mich auf den Projektor und zündete mir eine Zigarette an.
    Ich konnte nicht in den Tempel gehen, bevor mein Atem nicht wieder regelmäßig ging und mir etwas eingefallen war, was ich sagen sollte.
    Wie redet man es einer Rasse aus, sich selbst zu töten? Und
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