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Titan 15

Titan 15

Titel: Titan 15
Autoren: Robert Silverberg , Wolfgang Jeschke
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ein Mensch sein… wo ich doch meine eigene Stimme nicht höre, nicht einmal merke, daß ich lebendig bin und warmes Blut in den Adern habe? Ich liebe dich, Luci. Kann ich dir denn nie nahe sein?« Stolz und Disziplin ließen sie automatisch reagieren: »Du bist doch ein Checker!«
    »Ich weiß. Na und?«
    Sie sprach, als hätte sie sich die Worte schon tausendmal selbst vorgesagt, um sich zu bestärken: »Ihr seid die Tapfersten unter den Tapferen, die Besten der Besten. Die ganze Menschheit schuldet höchsten Dank dem Checker, der die Erden der Menschheit verbindet. Checker sind die Beschützer der Habermänner. Sie sind die Richter im Ex-und-Hopp. Dank ihnen vermögen Menschen dort zu leben, wo sie sonst jämmerlich zugrunde gehen müßten. Unter allen Menschen gebührt die höchste Ehre ihnen, und selbst die Chef-Technokraten zollen ihnen gerne die verdiente Anerkennung!«
    Mit hartnäckigem Kummer wandte er ein: »Luci, das haben wir doch alles schon gehabt. Aber es zahlt sich nicht aus…«
    »›Checker arbeiten für mehr als für Lohn. Die starken Garden der Menschheit sind sie.‹ Weißt du das denn nicht mehr?«
    »Aber unser Leben, Luci. Was hast du letzten Endes davon, die Frau eines Checkers zu sein? Warum hast du mich geheiratet? Nur wenn ich cranche, bin ich menschlich. Die übrige Zeit… du weißt ja. Eine Maschine. Ein zur Maschine gewordener Mensch. Ein Mensch, den man getötet und für den Dienst am Leben gehalten hat. Verstehst du nicht, was mir fehlt?«
    »Natürlich, mein Schatz, natürlich…«
    Er fuhr fort: »Glaubst du denn, ich habe meine Kindheit vergessen? Glaubst du, ich habe vergessen, wie es ist, ein Mensch zu sein, kein Habermann? Zu gehen und unter den Füßen den Boden zu spüren? Einen ordentlichen, sauberen Schmerz zu fühlen, anstatt den eigenen Körper jeden Augenblick überwachen zu müssen, um festzustellen, ob ich noch am Leben bin? Wie soll ich es merken, wenn ich tot bin? Hast du schon einmal daran gedacht, Luci? Wie soll ich merken, ob ich tot bin?«
    Ohne auf seinen unbegründeten Ausbruch einzugehen, meinte sie beschwichtigend: »Setz dich doch, Liebling! Ich mach dir was zu trinken. Du bist erschöpft.«
    Automatisch checkte er. »Nein, gar nicht! Hör mir zu! Stell dir vor, du wärst mit einer raumadaptierten Mannschaft im Ex-und-Hopp. Stell dir nun vor, du siehst zu, wie sie schlafen. Meinst du, ich mag checken, checken, checken, Monat für Monat, wenn ich merke, daß die Qual des Raums jede Faser meines Körpers geißelt und allmählich die Habermannschwelle durchbricht? Meinst du, es macht mir Spaß, die Männer zu wecken und dafür ihren Haß zu ernten? Hast du schon einmal Habermänner kämpfen gesehen – starke Männer, die keinen Schmerz kennen, die kämpfen, bis die Überlastungsmarke erreicht ist? Bedenkst du diese Dinge, Luci?« Triumphierend fügte er hinzu: »Kannst du mir also böse sein, wenn ich cranche und wieder zum Menschen werde, sei es auch nur für zwei Tage im Monat?«
    »Ich bin dir nicht böse. Genießen wir doch deinen Cranch. Setz dich und trink was!«
    Er ließ sich auf einen Stuhl nieder und stützte das Gesicht in die Hände, während sie ihm mit Naturfrüchten aus Flaschen, denen sie die Sicherheits-Alkaloide hinzufügte, etwas zu trinken bereitete. Er folgte ihr unablässig mit den Augen und bemitleidete sie plötzlich, daß sie einen Checker hatte heiraten müssen; und dann, obwohl es ungerecht war, verstimmte es ihn, sie bemitleiden zu müssen.
    In dem Augenblick, in dem sie sich umdrehte, um ihm das Glas zu reichen, ließ das Klingeln des Visiphons beide zusammenfahren. Eigentlich hätte es nicht klingeln dürfen. Sie hatten es abgestellt. Es klingelte von neuem, offensichtlich über die Notleitung. Martel überholte Luci auf dem Weg zum Apparat und schaute hinein. Vomact blickte ihm entgegen.
    Der unter Checkern übliche Ton erlaubte es ihm bei manchen Gelegenheiten, selbst ranghöheren Checkern gegenüber unhöflich zu sein. Dies war so eine.
    Bevor Vomact den Mund öffnen konnte, sprach Martel drei Worte in die Membran, wobei es ihm egal war, ob der alte Mann seine Lippen lesen konnte oder nicht:
    »Cranch. Keine Zeit.«
    Dann unterbrach er die Verbindung und ging zu Luci zurück.
    Das Visiphon läutete von neuem.
    Besänftigend meinte Luci: »Ich kann ja mal schauen, wer es ist, Schatz. Hier, nimm dein Glas und setz dich ruhig hin.«
    »Laß es läuten«, sagte ihr Mann. »Niemand hat das Recht, anzurufen, wenn ich cranche. Das
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