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Der neue Geist von Pao

Der neue Geist von Pao

Titel: Der neue Geist von Pao
Autoren: Jack Vance
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1.
     
    Im Herzen des Polymark-Sternhaufens, als Planet des gelben Sterns Auriol, ist Pao zu finden – Pao mit seiner Masse von 1.73, einem Durchmesser von 1.39 und seiner Schwerkraft von 1.04 – in Standardeinheiten, versteht sich.
    Paos tägliche Rotationsbahn ist die gleiche wie seine Umlaufbahn, infolgedessen gibt es keine Jahreszeiten, und das Klima bleibt gleichmäßig mild. Acht Kontinente umgeben den Äquator in nahezu gleichem Abstand: Aimand, Shraimand, Vidamand, Minamand, Nonamand, Dronamand, Hivand und Impland, benannt nach den acht Ziffern des paonesischen Rechensystems. Aimand, der größte der Kontinente, ist etwa viermal so groß wie Nonamand, der kleinste. Lediglich Nonamand in den hohen südlichen Breiten ist von etwas unangenehmem Klima.
    Eine exakte Volkszählung wurde nie vorgenommen, aber der größte Teil der Bevölkerung – etwa fünfzehn Milliarden Paonesen – lebt in kleinen Ortschaften.
    Die Paonesen sind eine homogene Rasse von mittlerer Statur, heller Haut, mit Haarfarben von dunkelblond bis schwarzbraun, und ohne größere Unterschiede, was das allgemeine Aussehen betrifft.
    Über die paonesische Geschichte vor der Zeit des Regenten, Panarch Aiello Panasper, ist nicht viel zu sagen. Die ersten Siedler, die sich auf dem lebensfreundlichen Planeten niederließen, vermehrten sich in kaum vorstellbarem Maß. Ihr Gesellschaftssystem gab so gut wie keinen Anlaß zur Uneinigkeit, Unstimmigkeit und Reibereien. Es kam dadurch nie zu nennenswerten Kriegen. Pao wurde auch von keinen Seuchen heimgesucht, genausowenig wie von Katastrophen, abgesehen von immer wieder auftretenden Hungersnöten, die jedoch mit Fassung getragen und überstanden wurden. Die Paonesen waren unkomplizierte Menschen, ohne Religion oder fanatische Kulte. Sie stellten keine hohen materiellen Ansprüche, maßen jedoch einem Kastenaufstieg oder einer Statusverbesserung große Bedeutung bei. Sie kannten keine sportlichen Wettkämpfe, aber es war ihnen ein Bedürfnis, sich in riesigen Ansammlungen von zehn oder zwanzig Millionen Personen zusammenzufinden und ihre Stimmen in den uralten Sprechchören zu vereinen. Der typische Paonese bewirtschaftete einen kleinen Hof und verbesserte sein Einkommen durch Ausübung eines Handwerks oder eines anderen Berufs, der ihm zusagte. Er interessierte sich wenig für Politik; sein Herrscher, der Panarch, durch normale Erbfolge in sein Amt gelangt, verfügte über absolute Regierungsgewalt, die er über einen ungeheuren Verwaltungsapparat bis in die winzigsten Dörfer ausübte. Das Wort »Karriere« auf Paonesisch war gleichbedeutend mit einer Anstellung als Beamter in diesem Verwaltungsapparat. Im großen ganzen war dieses Regierungssystem auch durchaus zufriedenstellend.
    Paonesisch entstammte dem Waydalischen, hatte sich jedoch in ungewöhnliche Formen entwickelt. Der paonesische Satz beschrieb weniger eine Handlung als das Bild einer Situation. Es gab keine Verben, keine Adjektive, keine Steigerungsform. Der typische Paonese sah sich selbst als Kork auf einer See von Millionen Wellen, die ihn dahintrieben, hoben, in die Tiefe rissen – das heißt, wenn er sich überhaupt als Persönlichkeit sah. Er verehrte seinen Herrscher fast demütig und gehorchte ohne Bedenken. Das einzige, das er für seine Loyalität verlangte, war das Weiterbestehen der Dynastie, denn auf Pao durfte sich nichts verändern, durfte nichts von der Norm abweichen.
    Doch auch der Panarch, obgleich absoluter Diktator, mußte mit den Traditionen konform gehen. Und darin lag das Paradoxon: dem introvertierten Paonesen waren Laster gestattet, die für den Menschen einer anderen Welt unvorstellbar und abstoßend waren. Aber er durfte keineswegs je fröhlich oder gar leichtsinnig wirken; er durfte keine tieferen Freundschaften schließen; er durfte sich so wenig wie möglich an öffentlichen Orten sehen lassen. Was jedoch am meisten zählte: er durfte nie unentschlossen oder unsicher erscheinen. Täte er es, wäre er kein echter Paonese.
     

 
2.
     
    Pergolai, ein Eiland, in der Jheliansesee zwischen Minamand und Dronamand, war von Panarch Aiello Panasper zur Erholungsstätte für sich und seine Familie umgewandelt worden. Am Rand einer weiten, mit Bambus und hohen Myrrhenbäumen umzäunten Wiese stand Aiellos Landsitz, ein luftiges Bauwerk aus weißem Glas, kunstvoll gehauenem Stein und poliertem Holz, bestehend aus einem Wohnturm, einem Dienstbotenflügel und einem achteckigen Pavillon mit einer rosa Marmorkuppel.
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