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Ella und die Tischoma

Ella und die Tischoma

Titel: Ella und die Tischoma
Autoren: Lina Ebhard
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Kapitel 1
Funkstille
    Eine kleine Tropfenträne platschte zärtlich auf das Foto, das Ella schon eine Weile in ihren Händen hielt. Die Träne vereinte sich mit den vielen anderen zu einem See, in dem das Bild zu versinken drohte. Ella schniefte und wischte sich mit dem Ärmel die Nase ab. Das macht man zwar nicht, aber das war ihr egal. Schnurzpiepegal. Wenn man so unglücklich ist, wie es Ella in diesem Moment war, darf man das.
    Ein fröhliches Kinderlachen drang von draußen in ihre Ohren. Von Neugier erfüllt guckte sie aus dem Fenster und erkannte ein kleines Mädchen, dessen linkes Händchen wohl von ihrem Bruder festgehalten wurde. Ella seufzte. Wie gerne hätte sie eine Schwester! Ihretwegen auch einen Bruder. Hauptsache, ein Geschwisterchen, dem sie einen Namen geben durfte: Lilly. Oder Henry. Sie wäre für ihr Geschwisterchen da. Sie könnte es wickeln und anziehen wie ihre Puppen. Mit ihm spielen und spazieren gehen. Vor allem aber könnte sie ihrer Einsamkeit entgehen.
    Am Anfang der Sommerferien waren Mama, Papa und sie umgezogen. Ella wollte nicht weg.
    „So ein gutes Angebot bekomme ich nie wieder, versteh das doch, Ella!“, hatte Papa betont.
    Auch Mama hatte eine gute Arbeit gefunden, die sie jedoch mehr beanspruchte als ursprünglich gedacht. „Ich arbeite weniger, Ella! Wir können viel mehr unternehmen!“, hatte Mama gemeint.
    „Blablabla“, murmelte Ella. Sie verstand sich gut mit ihren Eltern. Aber seit dem Umzug war alles anders: Papa hetzte zur Arbeit, anstatt in Ruhe mit Mama und ihr zu frühstücken. Mama räumte neben dem Frühstücken auf und Ella saß da und guckte Löcher in die Luft. All das Gerede von mehr Zeit füreinander. Zwischen Worten und Taten bestand nun eine weite Kluft.
    Ella kramte aus einer Schublade ein kleines Buch heraus.
Meine allerbesten Freundinnen
war darauf in pinkfarbenen Buchstaben zu lesen. Der Einband war in Zartrosa gehalten mit vielen Glitzersteinen. Ella liebte alles, was glitzerte. Vorne auf dem Buch gab es ein winziges Fenster, in dem ein Foto steckte. Von Ella und ihren Freundinnen. Sie lachten vergnügt und sahen glücklich aus. Ellas beste Freundinnen hatten dieses Buch gebastelt: Jede hat ein Foto eingeklebt, eines, auf dem auch Ella zu sehen war. Sie hatten jeweils ihre Biografie hineingeschrieben, weil Ella Biografien von Menschen sammelte. Neben Feldern wie Lieblingsmusik und typischen Eigenschaften gab es ein Kästchen, in dem die Freundinnen ihre Wünsche und Gedanken für Ella niederschrieben:
    -
Ich wünsche dir, dass du viele neue Freunde findest!
    -
Lass uns jede Woche telefonieren!
    -
Unser Kontakt soll nie abreißen! Ist quasi unmöglich!
    -
Wir haben alle einen Internetzugang und ein Handy
.
    Wenn alle Stricke reißen, gibt es noch das langweilige, uncoole Telefon
.
    -
Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg!
    Wütend feuerte Ella das Buch in die Ecke. Es traf eine Tonpuppe, die sich nun in tausend Scherbchen auf dem Boden verteilte. Ella starrte auf das Unglück. Diese Puppe hatte ihr ihr Kindergartenfreund Eddie geschenkt, als er wegzog. Ella fing heftig an zu schluchzen, bückte sich und ließ die Scherben wie Sand durch ihre Finger auf den Boden rieseln.
    Eddie. Ella seufzte erneut. Im Kindergarten waren sie unzertrennlich gewesen, der Abschied von ihm hatte sie damals sehr mitgenommen. Umso glücklicher war Ella, als sie erfuhr, dass Eddie nun in der Nachbarschaft wohnte. Doch mit ihm war es schwierig, vor allem im Moment. Er war der beste Freund, den man sich wünschen konnte, aber nur, solange seine komischen Freunde nicht da waren. Ella mochte sie nicht.
    Das hatte einen Grund: Sie nutzten Eddie aus. Schon so oft hatte sie ihm zu erklären versucht, dass sie ihn nur zum Fußballspielen brauchten. Vor allem, wenn ein Spiel gegen die Fiesen Vier anstand. Er war ein genialer Stürmer und jagte einen Ball nach dem anderen ins Tor. Mit ihm war ein Sieg garantiert. Eddie jedoch glaubte Ella nicht, sondern verteidigte seine Freunde und warf ihr vor, eifersüchtig zu sein, weil sie keine Freunde habe. Dies würde sich nicht ändern, wenn sie alle und jeden nur schlecht machte. Diese Aussagen bissen sich tief in Ellas Herz.
    „Idiot! Eines Tages wird es ihm leidtun, dass er nicht auf mich gehört hat. Dann ist es zu spät! Das verzeih ich ihm nie!“
    Ella setzte sich an ihren Laptop und checkte ihre E-Mails. Keine Nachricht von Sophie. Warum entschuldigte sie sich nicht? Immer noch war Ella enttäuscht von ihrer einst besten Freundin.
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