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Ella und die Tischoma

Ella und die Tischoma

Titel: Ella und die Tischoma
Autoren: Lina Ebhard
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Auf der rechten Seite der Gasse reihten sich Häuser mit geschniegelten Vorgärten, weiß gestrichenen Zäunen und glatt rasiertem Gras.
    „Spießig“, dachte Ella und wollte schon fast weiterziehen, als sie ein ungewöhnliches kleines Haus am Ende der Gasse entdeckte. Sie lief hin. Der Putz des Hauses war schmutzig und bröckelig, Efeu wucherte an allen Ecken und Enden, der Zaun war wackelig, sein weiß gestrichenes Holz marode. Auf den ersten Blick kein schöner Eindruck. Auf den zweiten Blick aber hatte es doch den Charme eines Hexenhäuschens. Ella konnte sich gar nicht daran sattsehen. Das Häuschen war klein, einst weiß gestrichen, die Fensterrahmen waren braun. Ihre Augen wanderten zum Dach, auf dem sie ein verlassenes Storchennest erspähte. Aus dem Kamin quoll zarter Rauch. Der riesengroße Garten glich einem Dschungel. Unterschiedliche Gräser gab es, nicht nur in Form und Farbe, sondern auch kurze und lange. In der Mitte des Gartens thronte ein Apfelbaum, der überreife Früchte trug.
    Ella entdeckte Johannisbeersträucher und einen Birnbaum, einen Kirschbaum und ein Beet. Vermutlich wuchsen dort im Sommer saftige Himbeeren und Erdbeeren. Ella sah sich schon im Garten sitzen oder im Hängestuhl, der an einem Apfelbaum baumelte. Dort könnte sie sich die wunderbarsten Geschichten über die Hausdame ausdenken und aufschreiben. Wie die Hausdame wohl war? Bestimmt war sie eine kleine, zierliche, ältere Frau mit einem grauen Dutt und grünen Augen. Sie trug Kleider mit Blumenmuster und im Sommer einen Strohhut, wenn sie die Beeren erntete. Ellas Mundwinkel zeichneten ein wunderschönes, glückliches Lächeln in ihr Gesicht.
    Wie aus heiterem Himmel stand eine Frau an der Haustüre. Ella erschrak. Als sie das keifende Bellen eines Hundes vernahm, raste sie davon. Ein paar Straßen weiter blieb sie stehen, stemmte ihre Hände auf die Knie. Ihr Atem überschlug sich. Kleine Schweißperlen glänzten auf ihrer Stirn. Ella wischte sie ab und guckte verdutzt und fassungslos in ihr Körbchen. Alle Kastanien waren weg. Ihr blieb nichts anderes übrig, als noch mal von vorne anzufangen.
    Ella hatte noch viel schönere Kastanien gefunden. Mama würde sich bestimmt freuen.
    „Na endlich! Komm, die Pizza ist schon fast kalt!“, sagte Mama. Ella stellte den Korb auf den Tisch. „Ella, pack deinen Korb weg! Wir essen jetzt.“
    Ella stieß den Korb um. „Du wolltest diese blöden Kastanien haben!“
    „Ella!“, mahnte Mama. „Sprich nicht in diesem Ton mit mir! So, und nun setz dich und iss was!“
    Ella setzte sich und probierte einen Bissen. Mehr nicht. Sie hatte keinen Hunger mehr. Seit sie hier wohnten, hatten Mama, Papa und sie kaum Zeit füreinander, und saßen sie doch einmal zusammen, gab es immer Streit. Wegen Kleinigkeiten.
    „Mama, gehen wir morgen in den Zoo?“, fragte Ella.
    Mama schüttelte den Kopf. „Nein, Ella, morgen geht es nicht. Ich muss putzen und aufräumen. Du siehst ja, wie es hier aussieht.“
    „Du hast es mir versprochen!“ Ella war empört. Zum dritten Mal hatte Mama keine Zeit!
    „Wenn du mir im Haushalt mehr helfen würdest, hätte ich mehr Zeit!“, entgegnete Mama.
    „Ich hab den Geschirrspüler ausgeräumt!“, verteidigte sich Ella. „Das mach ich schon, seit wir hier wohnen. Ich räume mein Zimmer auf, ohne dass du was sagen musst. Ich räum den Tisch ab und putze ihn. Deswegen habt ihr auch nicht mehr Zeit für mich. Wahrscheinlich gehen wir nie in den Zoo, weil ihr keine Zeit habt! Ihr seid so gemein! Ihr denkt immer nur an euch und an eure Arbeit!“ Ella stieß den Stuhl nach hinten und rannte in ihr Zimmer.
    Ella war schon eine Weile in ihrem Bett, konnte aber nicht einschlafen. Zu viele Gedanken wirbelten in ihrem Kopf herum.
    Allem voran der Streit mit Mama. Ella versteht, dass Mama Stress hat. Aber sie hat ihr den Zoobesuch versprochen. Supergroßes Mama-Ehrenwort! Und jetzt? Mama war nur noch gereizt. Das war ganz und gar nicht typisch für sie.
    „Anna, bitte, versteh mich doch!“ Ella hörte Papas Stimme.
    „Nicht so laut! Ella schläft schon!“, sagte Mama.
    Auf Zehenspitzen schlich Ella zur Küche. Die Türe war zu. Ella strich sich die Haare hinter das Ohr und drückte es fest an die Türe. Es war schwer, Mama und Papa zu verstehen.
    „Wenn sich alles eingespielt hat, wird es besser. Dann habe ich mehr Zeit für euch. Versprochen!“, sagte Papa. Mama schwieg.
    „Unter einer Bedingung, Holger“, sagte sie schließlich. „Am Freitag gehst du um zwei
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