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Titan 11

Titan 11

Titel: Titan 11
Autoren: Ben Bova , Wolfgang Jeschke
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an die Lippen, Oliver dabei über den Rand anlächelnd. Sie war überaus schön. Ihr hellrotes Haar war in leuchtenden Wellen über den Kopf gekämmt, und die Korona aus Locken, die wie ein Halo über ihrer Stirn glänzte, war wie ein Kranz heruntergekämmt. Jedes einzelne Haar lag so perfekt, als sei es aufgemalt, obwohl nun durch das Fenster eine kleine Brise wehte und durch die leuchtenden Haarsträhnen huschte.
    Oliver versuchte den Tee. Sein Aroma war exquisit. Er war sehr heiß, und der Geschmack, der auf seiner Zunge haftete, erinnerte an den Duft von Blumen. Es war ein äußerst feminines Getränk. Er nippte erneut, überrascht, wie sehr er es mochte.
    Der Blumengeschmack schien sich zu verstärken, während er trank, und wie Rauch durch seinen Kopf zu wirbeln. Nach dem dritten Schluck begann es leicht in seinen Ohren zu brummen. Vielleicht die Bienen, die zwischen den Blumen umhersummen, dachte er unzusammenhängend – und nahm einen weiteren Schluck.
    Kleph beobachtete ihn lächelnd.
    »Die anderen werden den ganzen Nachmittag fortbleiben«, erzählte sie Oliver im Plauderton. »Ich dachte, wir könnten uns einen schönen Nachmittag machen und uns etwas besser kennenlernen.«
    Oliver war eher erschrocken, als er sich sagen hörte: »Warum sprechen Sie so merkwürdig?« Er hatte nicht beabsichtigt, diese Frage zu stellen; irgend etwas schien ihm die Kontrolle über seine Zunge genommen zu haben.
    Klephs Lächeln wurde durchdringender. Sie führte die Tasse an die Lippen. »Was meinen Sie mit ›merkwürdig‹?« fragte sie, und in ihrer Stimme schwang Nachsicht mit.
    Er machte mit der Hand eine vage Geste und bemerkte mit einiger Überraschung, daß sie sechs oder sieben Finger zu besitzen schien, als sie an seinem Gesicht vorbeiwischte.
    »Ich weiß nicht – Ihre Genauigkeit, glaube ich. Warum schleifen Sie zum Beispiel beim Sprechen nie die Endsilben ab?«
    »In unserem Land werden wir dazu erzogen, mit Exaktheit zu sprechen«, erklärte Kleph. »Genau, wie wir dazu erzogen werden, uns mit Genauigkeit zu bewegen, anzuziehen und zu denken. Jegliche Schlampigkeit wird uns noch während der Kindheit aberzogen. Bei Ihnen natürlich…« Sie war höflich. »Bei Ihnen ist das zufälligerweise eben kein nationaler Fetisch. Bei uns haben wir Zeit genug für Annehmlichkeiten. Und wir schätzen sie.«
    Ihre Stimme wurde süßer und süßer, während sie sprach, bis sie schließlich nicht mehr von der Süße des Blumengeschmacks in Olivers Kopf und dem würzigen Aroma des Tees zu unterscheiden war.
    »Aus welchem Land kommen Sie?« fragte er und hob die Tasse erneut zum Mund, überrascht darüber, daß sie schier unerschöpflich zu sein schien.
    Dieses Mal wirkte Klephs Lächeln eindeutig nachsichtig. Es irritierte ihn jedoch nicht. Nichts konnte ihn nun noch irritieren. Der ganze Raum schien in einem rosigen Glühen zu ertrinken, so wohlriechend wie die Blumen.
    »Wir dürfen nicht darüber sprechen, Mr. Wilson.«
    »Aber…« Oliver wartete. Schließlich ging es ihn natürlich überhaupt nichts an. »Sie sind auf Urlaub?« fragte er ins Blaue hinein. »Nennen Sie es eine Pilgerfahrt.« »Pilgerfahrt?« Oliver war so neugierig, daß er sich für einen Moment scharf konzentrierte. »Wohin?« »Das hätte ich nicht sagen sollen, Mr. Wilson. Bitte vergessen Sie es. Mögen Sie den Tee?« »Sehr gerne.«
    »Sie werden inzwischen sicher vermutet haben, daß es nicht nur Tee, sondern auch ein Anregungsmittel ist.«
    »Ein Anregungsmittel?« Oliver starrte sie an.
    Mit ihrer grazilen Hand vollführte Kleph einen Kreis in der Luft. »Fühlen Sie die Wirkung noch nicht?« Sie lachte. »Natürlich fühlen Sie sie.«
    »Ich fühle mich«, sagte Oliver, »als ob ich vier Glas Whisky getrunken hätte.«
    Kleph schüttelte sich etwas. »Wir erhalten unsere Anregungen auf weniger schmerzhafte Weise. Und ohne die Nachwirkungen, die Ihr barbarischer Alkohol nach sich zu ziehen pflegt.« Sie biß sich auf die Lippe. »Entschuldigung. Ich muß selbst schon sehr angeregt sein, um so freizügig zu reden. Bitte vergeben Sie mir. Wollen wir etwas Musik hören?«
    Kleph ließ sich auf ihrer Chaiselongue zurücksinken und griff nach der Wand daneben. Der Ärmel ihres Gewandes rutschte herab, ihr Handgelenk enthüllend, und Oliver war überrascht, dort eine lange, rosige, gerade erst verheilende Narbe auszumachen. Die Dünste des wohlriechenden Tees hatten seine Hemmungen weggewischt; er holte tief Luft und beugte sich neugierig vor.
    Mit
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