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Schmidts Bewährung

Schmidts Bewährung

Titel: Schmidts Bewährung
Autoren: Louis Begley
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I
    Ja, Schmidtie. Hallo, hallo. Ja, ich bin’s, Schmidtie.
    Er hatte das Telefon vom Nachttisch gestoßen und tastete nun unter dem Bett nach dem Hörer. Einen Herrn im Ruhestand sollte man nicht vor neun Uhr morgens anrufen. Oder war etwas Schlimmes passiert? Charlotte!
    Ich hoffe, ich störe nicht.
    Die Stimme des Anrufers war angenehm dunkel, an den Rändern schartig und schwer zu verstehen.
    Sie wissen nicht mehr, wer ich bin.
    Tut mir furchtbar leid, aber ich kann Stimmen nicht gut wiedererkennen.
    Müssen Sie auch nicht, warum sollten Sie, obwohl: meistens kennt man meine Stimme. Ich bin Michael Mansour. Richtig, hierzulande sage ich Man-sauer, nicht Man-suhr! Man tut, was man kann, um es den Inländern leicht zu machen. Gestern auf der Blackman-Party haben wir uns unterhalten. Wissen Sie, wer ich bin?
    Jetzt war Schmidt im Bild. Natürlich, der milliardenschwere Investor, der Gils Filme finanziell unterstützt. Ägypter oder so, aber fest angesiedelt im obersten Bereich der Forbes Magazine -Rangliste der reichsten Wirtschaftsmagnaten Amerikas.
    Selbstverständlich. Ich habe Ihren Namen in der Zeitung gelesen, und nicht nur einmal. Der König der Preisdrücker.
    Haha! Das gefällt mir – das war ein Witz, oder? Aber es stimmt, genauso mache ich mein Geld. Ich bin ein Freund von Gil, er hat mir Ihre Nummer gegeben. Ich möchte Sie und Ihre Frau am Samstag zum Lunch einladen. In mein Haus, um halb zwei, oder früher, wenn Sie noch kurz insMeer springen wollen, ehe wir mit den Drinks anfangen. Gil sagt, Sie sind sein bester Freund. Er hat mir erzählt, was für ein Anwalt Sie waren. Schade, daß wir nie zusammengearbeitet haben. Jedenfalls, Gils Freunde sind meine Freunde. Also, kommen Sie? Entschuldigen Sie, aber wissen Sie jetzt wirklich wieder, daß Sie mich auf der Party gesehen haben? Übrigens, ich habe auch einen Pool, falls Sie das Meer nicht mögen.
    Mr. Mansour war geradezu rührend bescheiden für einen Mann von soviel Macht und Glanz.
    Aber natürlich erinnere ich mich, erwiderte Schmidt, um ausgesuchte Liebenswürdigkeit bemüht. Elaine hat uns miteinander bekannt gemacht. Ach ja, die junge Frau, mit der ich dort war, ist meine Freundin, verheiratet sind wir nicht. Im Augenblick ist sie nicht hier. Darf ich zurückrufen, wenn ich mit ihr gesprochen habe?
    Er sagte nicht ganz die Wahrheit. Carrie war sehr wohl da, nur schlief sie tief und fest, den Kopf im Kissen vergraben. Wenn sie so im Schlaf versunken war, reichten drei Klingelzeichen des Telefons und Schmidts gedämpfte Stimme im Gespräch mit Mr. Mansour bei weitem nicht, sie aufzuwecken.
    Ihre Freundin ist umwerfend. Und charmant. Ich habe sie für Ihre Frau gehalten, nicht etwa für Ihre Tochter, sie sieht Ihnen ja gar nicht ähnlich. Jedenfalls: Glückwunsch! Bringen Sie sie bitte mit! Und wenn sie was vorhat, kommen Sie ruhig allein. Zusammen kann ich Sie beide dann ein andermal einladen.
    Wir bleiben in Verbindung.
    Schmidt nahm nun zur Kenntnis, daß Mr. Mansour nicht mehr in seinem Wohnsitz in East Hampton zu erreichen sei, da er dieses Haus seiner zweiten abgelegten Ehefrau überlassen habe, und notierte sich dann die Telefonnummer, eine Geheimnummer. Keine Sorge, er würde siefür sich behalten. Aha, das Crussel-Haus in Water Mill, in der Flying Point Road? Ja, den Weg kannte er gut. Ja, er würde in diesem Haus auch alten Erinnerungen begegnen, der Besuch mochte ihnen sogar eine neue Bedeutung verleihen, die nicht frei von neuer Bitterkeit war, aber so früh am Morgen hatte er nicht das geringste Bedürfnis, dieses Thema mit Mr. Mansour zu erörtern.
    Die ursprünglichen Eigentümer des besagten Hauses, Mr. und Mrs. Crussel, waren wichtige Mandanten der Kanzlei Wood & King gewesen, in der Schmidt bis zu seiner Pensionierung als Sozius gearbeitet hatte. Ein Kollege in der Trust- und Immobilienabteilung, Murphy, war zuständig für die Crussels, so wie er auch über die bescheidenen Vermögenswerte von Schmidt und seiner verstorbenen Frau Mary wachte, aber Schmidt, der ein anderes Spezialgebiet hatte – er vertrat die Interessen von Versicherungsgesellschaften in Darlehensfragen –, wohnte sozusagen Tür an Tür mit den Crussels und verkehrte gesellschaftlich mit ihnen. Deshalb fiel ihm die Aufgabe zu, als inoffizieller Emissär der Kanzlei die Beziehungen zu diesen Mandanten zu pflegen und auszubauen, indem er ihren Einladungen zum Lunch und Dinner häufiger und gewissenhafter folgte, als es sonst sein Stil gewesen wäre.
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