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Titan 11

Titan 11

Titel: Titan 11
Autoren: Ben Bova , Wolfgang Jeschke
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Olivers Verstand nur mit den vagen, verwirrenden Erinnerungen an den gestrigen Tag erfüllt. Klephs Gesicht stand vor seinen Augen und drängte alles übrige zurück.
    »Was?« fragte er. »Ich… oh, wenn du willst, kannst du ja mit ihnen kommen. Ich sehe nicht ein, was es noch bringen könnte.«
    »Oliver, was ist los mit dir? Wir sind doch übereingekommen, daß wir das Geld brauchen, oder nicht? Ich verstehe nicht, wie du daran denken kannst, dir so ein wunderbares Geschäft ohne den geringsten Versuch entgehen zu lassen. Wir könnten heiraten und uns sofort ein eigenes Haus kaufen, und du weißt genau, daß wir für diesen alten Holzkasten nie wieder solch ein gutes Angebot bekommen werden. Wach doch endlich auf, Oliver!«
    »Ich weiß, Sue«, brachte Oliver mit Anstrengung heraus, »ich weiß, aber…«
    »Oliver, du mußt dir etwas einfallen lassen!« Ihre Stimme klang gebieterisch.
    Er wußte, daß sie recht hatte. Kleph hin, Kleph her, er konnte den Handel nicht ausschlagen, wenn eine Möglichkeit bestand, die Mieter zu vertreiben. Erneut fragte er sich, wieso so viele Leute das Haus plötzlich um jeden Preis haben wollten. Und was die letzte Maiwoche mit dem Wert des Hauses zu tun hatte.
    Eine plötzliche Wißbegier durchdrang sogar die Ziellosigkeit seines Verstandes. Die letzte Maiwoche war so wichtig, daß der ganze Verkauf des Hauses mit ihr stand oder fiel. Warum? Weshalb nur?
    »Was wird nächste Woche geschehen?« fragte er rhetorisch ins Telefon. »Warum können sie nicht warten, bis diese Leute ausziehen? Ich würde ein paar Tausend vom Preis heruntergehen, wenn sie mir…«
    »Das wirst du nicht, Oliver Wilson! Mit diesem Geld könnte ich all unsere Gefrierschränke kaufen. Du muß nur eine Möglichkeit schaffen, wie du ihnen den Besitz nächste Woche überschreiben kannst, das ist alles. Hast du verstanden?«
    »Bleib auf dem Teppich«, sagte Oliver nüchtern. »Ich bin zwar auch nur ein Mensch, aber ich werde es versuchen.«
    »Ich komme jetzt sofort mit diesen Leuten«, sagte Sue. »Während die Sanciscos noch fort sind. Nun schalt mal dein Gehirn ein und denke dir etwas aus, Oliver.« Sie wartete einen Moment, und als sie fortfuhr, war ihre Stimme nachdenklich. »Es sind… so schrecklich komische Leute, Liebling.«
    »Komisch?«
    »Du wirst schon sehen.«
    Eine ältere Frau und ein sehr junger Mann begleiteten Sue die Stufen herauf. Oliver wußte sofort, weshalb Sue wegen ihnen so durcheinander war. Irgendwie war er überhaupt nicht überrascht, als er sah, daß beide ihre Kleider mit der gleichen bekannten Selbstsicherheit trugen, die er schon kennengelernt hatte. Auch sie blickten sich mit der gleichen heimlichen Freude und einem Hauch schwacher Herablassung in dem wunderschönen, sonnigen Nachmittag um. Bevor er sie auch nur ein Wort sprechen hörte, wußte er, wie musikalisch ihre Stimmen sein und wie sorgfältig sie jedes einzelne Wort aussprechen würden.
    Es gab keinen Zweifel daran. Die Leute aus Klephs geheimnisvollem Land kamen zu Hauf hier an – aus irgendeinem Grund. Wegen der letzten Maiwoche? Er zuckte die Achseln; noch sah er keine Möglichkeit, Vermutungen anzustellen. Nur eins war gewiß: sie alle mußten aus jenem namenlosen Land kommen, wo die Menschen ihre Stimme wie Sänger und ihre Kleidung wie Schauspieler kontrollieren lernten, die jede Sekunde den Lauf der Zeit selbst anhalten konnten, um jede verrutschte Falte wieder zurechtzuschieben.
    Die ältere Frau riß von Anfang an das Gespräch an sich. Sie standen auf der wackligen, unangestrichenen Veranda beisammen, und Sue bekam noch nicht einmal Gelegenheit, sie einander vorzustellen.
    »Junger Mann, ich bin Madame Hollia. Das ist mein Gatte.«
    Ihre Stimme wies einen beiläufigen Klang von Härte auf, vielleicht ihres Alters wegen. Und ihr Gesicht wirkte fast eingeschnürt; das lose Fleisch war mittels irgendeiner unbekannten Methode, über die Oliver keine Vermutung anstellen konnte, zur Festigkeit zurückgezwungen worden. Das Make‐up war so kunstvoll aufgetragen, daß er sich noch nicht einmal gewiß war, ob es überhaupt Make‐up war, doch er hatte das definitive Gefühl, daß sie viel älter war, als sie aussah. Man mußte schon ein Leben lang kommandiert haben, bevor man so viel Autorität in diese harte, tiefe, musikalisch trainierte Stimme legen konnte.
    Der junge Mann sagte nichts. Er war sehr stattlich. Sein Typ entsprach augenscheinlich dem, der sich nicht groß ändert, gleichgültig, in welcher Kultur
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