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Mit Freuden begraben – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Mit Freuden begraben – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Titel: Mit Freuden begraben – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)
Autoren: Edmund Crispin
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Kapitel 1
    »Sanford Angelorum, alles aussteigen«, rief der Stationsvorsteher. »Sanford Angelorum, alles aussteigen.«
    Nach einer kurzen Denkpause fügte er hinzu: »Endstation«, dann verschwand er durch eine Tür mit der Aufschrift PRIVAT von der Bildfläche.
    Gervase Fen, der allein in einem engen, stickigen Abteil vor sich hingedöst hatte, aus dessen Polstersitzen bei jeder Berührung schwarze Staubwolken aufstiegen, erwachte und setzte sich auf.
    Er spähte durchs Fenster in die sommerliche Dämmerung hinaus. Ein kümmerlicher, buckliger Bahnsteig bot sich ihm dar, auf dessen gegenüberliegender Seite unkrautartige Gewächse wucherten, was man mit etwas gutem Willen als gartenbaulichen Versuch hätte werten können. Ein leerer Süßwarenautomat lag wie das Opfer eines Roboterkrieges umgekippt auf der Seite und rostete vor sich hin. Daneben stand eine Packkiste, aus der der Kopf eines kleinen Huhns hervorschaute, das ein leises, empörtes Gackern hören ließ. Doch keine Spur menschlichen Lebens war zu entdecken, und hinter dem Bahnhof lag nichts Einladenderes als schier endlose Felder und Wälder, die in der sinkenden Dämmerung bläulich schimmerten.
    Dieser Ausblick missfiel Fen; er fand ihn nichtssagend und langweilig. Allerdings blieb ihm außer Murren nichts übrig. Er murrte kurz und verließ dann mit seinem Gepäck das Abteil. Zunächst schien es, als sei er der einzige Fahrgast, der hier ausstieg, aber kurz darauf bemerkte er, dass dem nicht so war. Ein blondes, adrett gekleidetes Mädchen um die zwanzig war aus einem der anderen Waggons gestiegen. Sie blickte sich unschlüssig um und ging dann auf den Ausgang zu, wo sie ein rechteckiges Stück grünen Kartons in einen Mülleimer fallen ließ, auf dem F AHRKAHRTEN stand; dann verschwand sie. Fen ließ sein Gepäck auf dem Bahnsteig liegen und folgte ihr.
    Auf dem Bahnhofsvorplatz, einer nicht weiter umgrenzten Kiesfläche, standen jedoch keine Transportmittel bereit, und abgesehen von den sich entfernenden Schritten des Mädchens, das in der gekrümmten Bahnhofsauffahrt außer Sichtweite verschwunden war, machte sich eine entmutigende Stille breit. Fen ging zum Bahnsteig zurück und suchte das Büro des Stationsvorstehers auf, wo der Stationsvorsteher an einem Tisch saß und mit trübsinniger Miene eine kleine, ungeöffnete Flasche Bier anstarrte. Bei der Störung blickte er resigniert auf.
    »Besteht die Möglichkeit, dass ich ein Taxi bekommen könnte?«, fragte Fen.
    »Wohin wollen Sie denn, Sir?«
    »Ins Dorf Sanford Angelorum. Zum ›Fish Inn‹.«
    »Tja, vielleicht haben Sie Glück«, räumte der Stationsvorsteher ein. »Ich will sehen, was ich tun kann.«
    Er ging zum Telefon und sprach hinein. Fen sah von der Türschwelle aus zu. Hinter ihm stieß der Zug, mit dem er gekommen war, ein schwaches, asthmatisches Pfeifen aus und rollte rückwärts an. Bald darauf war er, leer, in die Richtung verschwunden, aus der er gekommen war.
    Der Stationsvorsteher beendete das Gespräch und schleppte sich zurück zu seinem Stuhl.
    »Das geht in Ordnung, Sir«, sagte er, und sein Tonfall klang leicht selbstgefällig, so wie der einer Hebamme, die die Nachricht vom glücklichen Ausgang einer schwierigen Geburt überbringt. »Der Wagen wird in zehn Minuten hier sein.«
    Fen bedankte sich bei ihm, gab ihm einen Shilling und ließ ihn weiterhin die Flasche Bier anstarrend zurück. Fen kam der Gedanke, der Stationsvorsteher könnte eventuell dem Alkohol abgeschworen haben und nun in wehmütigen Erinnerungen an verbotene Gelüste schwelgen.
    Das Huhn hatte seinen Kopf durch eine besonders enge Öffnung in der Packkiste gesteckt und war nun nicht mehr in der Lage, ihn wieder einzuziehen. Verwirrt starrte es auf ein recht neues Wahlplakat mit einem unvorteilhaften Foto und der Aufschrift: »Eine Stimme für Strode ist eine Stimme für den Wohlstand.« Der Zug war außer Hörweite; eine Krähenkolonie war auf dem Nachhauseweg zu ihrem Schlafplatz, dunkle Umrisse vor einem grauen Himmel. Schemenhaft flatternd verfolgte eine Fledermaus im Zickzackkurs ihr Abendessen. Fen setzte sich auf einen seiner Koffer und wartete. Er hatte seine Zigarette ausgedrückt und war gerade dabei, sich eine weitere anzuzünden, als ihn das Motorengeräusch eines Autos in rege Betriebsamkeit versetzte. Mit seinen Koffern beladen kehrte er auf den Bahnhofsvorplatz zurück.
    Entgegen aller Voraussicht erwies sich das Taxi als neu und komfortabel, und auch der Fahrer stellte sich als
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