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Titan 11

Titan 11

Titel: Titan 11
Autoren: Ben Bova , Wolfgang Jeschke
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»Und auch Hara«, fuhr sie fort. »Was für eine angenehme Überraschung.«
    »Wann sind Sie denn zurückgekommen?« fragte Sue plump.
    Kleph schenkte ihr ein Lächeln. »Sie müssen die kleine Miß Johnson sein. Nun, ich bin gar nicht zurückgekommen. Ich war diese Besichtigungen leid und bin in meinem Zimmer geblieben.«
    Sue sog den Atem so tief ein, daß es wie ein ungläubiges Schnauben klang. Ein Blick wurde zwischen den beiden Frauen gewechselt, und dieser Kontakt blieb für einen Moment lang bestehen – doch dieser Moment schien zeitlos. Es war eine außergewöhnliche Pause, in der eine wortlose Wechselwirkung in Sekundenschnelle stattfand.
    Oliver bemerkte, wie Kleph Sue anlächelte, jenen seltsamen Blick des ruhigen Selbstvertrauens, den er so oft bei all diesen seltsamen Leuten bemerkt hatte. Er sah Sues rasche Bestandsaufnahme bei der anderen Frau, bemerkte, wie sie ihre Schultern hob und kerzengerade dastand, ihr Sommerkleid über den flachen Hüften glättete, so daß sie für einen Augenblick auf Kleph hinabsah. Diese Bewegung war vorsätzlich. Verwirrt blickte er wieder zu Kleph hinüber.
    Klephs Schultern sanken langsam, ihr Gewand verhüllte eine winzige Taille und hing in tiefen Falten über üppig gerundete Hüften. Sue hatte die bessere Figur – doch Sue gab auch als erste nach.
    Klephs Lächeln brach nicht ab. Doch in diesem Schweigen erfolgte eine abrupte Umkehrung von Werten, beruhend lediglich auf Klephs grenzenlosem Vertrauen in sich selbst, dem ruhigen, sicheren Lächeln. Plötzlich wurde klar, daß ein Modegeschmack keine Konstante darstellte. Plötzlich wurden Klephs kuriose altmodische Rundungen zur Norm, und Sue wirkte neben ihr wie ein seltsames, eckiges, beinahe maskulines Geschöpf.
    Oliver hatte keine Ahnung, wie es geschehen war. Irgendwie glitt die Autorität während eines Atemzuges von der einen Frau zur anderen hinüber. Schönheit stellt fast gänzlich eine Sache der Modeerscheinung dar; was heute schön ist, wirkte vor ein paar Generationen nur grotesk und wird in einhundert Jahren ebenso angesehen werden. Es wird noch schlimmer als grotesk werden: Es wird aus der Mode sein und daher schlicht lächerlich.
    Genau das war auch Sue. Kleph mußte nur ihre Autorität ausspielen, um es jedem auf der Veranda deutlich zu machen. Plötzlich stellte Kleph mit größter Überzeugung eine Schönheit dar, eine Schönheit aufgrund einer anerkannten Mode, und Sue war auf lächerliche Art altmodisch, ein Anachronismus mit ihrer geschmeidigen, eckigen Schlankheit. Sie gehörte nicht hierher, war auf groteske Weise fehl am Platze zwischen diesen seltsam makellosen Menschen.
    Sues Zusammenbruch war komplett. Doch Stolz und Verwirrung hielten sie aufrecht. Wahrscheinlich würde sie nie völlig verstehen, was geschehen war. Sie blickte Kleph mit brennendem Haß an, und als ihr Blick zu Oliver zurückglitt, las sie Argwohn und Mißtrauen darin.
    Als Oliver später daran zurückdachte, glaubte er, in diesem Moment zum ersten Mal klar und deutlich die Wahrheit geargwöhnt zu haben. Doch nun blieb ihm keine Zeit, darüber nachzudenken, denn nach diesem kurzen Moment der Feindschaft begannen die drei Leute aus – einem anderen Land – durcheinanderzureden, wie in dem verspäteten Versuch, etwas zu vertuschen, das nicht bemerkt werden sollte.
    »Dieses wunderschöne Wetter«, sagte Kleph. »Solch ein Glück, dieses Haus zu besitzen«, begann Madame Hollia, und Hara hielt die rote Lederschachtel hoch und sagte am lautesten von allen: »Cenbe schickt dir das, Kleph. Sein neuestes.«
    Kleph streckte eifrig beide Hände danach aus, und die Ärmel rutschten für einen Moment wieder zurück. Oliver warf einen schnellen Blick auf diese geheimnisvolle Narbe, bevor der Stoff wieder zurückrutschte, und es kam ihm so vor, als habe er an Haras Faust die gleichen schwachen Male erkannt, als er die Arme hob.
    »Cenbe!« rief Kleph mit hoher, erfreuter Stimme. »Wie schön! Welche Periode?«
    »November 1664«, gab Hara zurück. »London natürlich, obwohl ich glaube, daß es einen Kontrapunkt vom November 1347 geben mag. Natürlich ist er noch nicht fertig.« Er blickte etwas nervös zu Oliver und Sue hinüber. »Ein wundervolles Stück«, sagte er schnell. »Einfach wunderbar. Natürlich nur, wenn es nach seinem Geschmack ist.«
    Madame Hollia erschauderte vor gewichtigem Zartgefühl.
    »Dieser Mann!« sagte sie. »Faszinierend, natürlich – ein großer Mann. Aber – so weit fortgeschritten!«
    »Man muß
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