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Mein Bild sagt mehr als deine Worte

Mein Bild sagt mehr als deine Worte

Titel: Mein Bild sagt mehr als deine Worte
Autoren: David Levithan
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1
    Es war dein Geburtstag. Der erste, seit du mich verlassen hast verschwunden bist nicht mehr da bist.
    Als ich aufwachte, träumte ich von dachte ich an die anderen Geburtstage. Solche, die wir zusammen verbracht haben.
    Wie der vor zwei Jahren. Da hatte ich dich ganz für mich allein. Ich hab dich gefragt, was du dir wünschst, und du hast geantwortet: »Rosen«, und dann: »Aber keine Blumen.« Und so brachte ich Wochen damit zu, für dich Geschenke zu sammeln: ein poliertes Stück Rosenquarz, Rosenblüten-Tee, eine Keramikkachel mit dem Rosengarten des Weißen Hauses, die ich vor vielen Jahren bei einem Klassenausflug gekauft hatte. Einen Roman mit dem Titel Rose sieht rot , eine Biografie von Gypsy Rose Lee, eine Playlist mit Stücken von Bands, die sich Blue Roses, Stone Roses oder White Rose Movement nennen, und dann noch ein Gedicht von Emily Dickinson mit dem Titel »I’ll tell you how the sun rose«, wobei ich nicht weiß, ob das so gut passte. Aber egal. Jedenfalls warst du damals glücklich. Das war noch, bevor das Glücklichsein so schwierig wurde. Damals hast du mich noch um etwas bitten können, und ich hab es dir geben können, und alles war in Ordnung.
    Und dann war da letztes Jahr. Abends hast du dich mit Jack getroffen, aber ich konnte dich wenigstens am Nachmittag für mich haben. Ich hab dich gefragt, was du dir wünschst, und du hast gesagt, dass du dir gar nichts wünschst. Und ich hab darauf erwidert, dass ich nicht vorhatte, dir irgendwas zu schenken; ich wollte dir ETWAS schenken. Die ganze Woche lang unterteilten wir Dinge dann in diese zwei Kategorien: irgendwas und etwas. Eine Kette, die man in der Schmuckabteilung eines Kaufhauses kauft: irgendwas. Eine selbst gebastelte Kette: etwas. Ein Dollar: irgendwas. Ein Sanddollar: etwas. Ein Geschenkgutschein: irgendwas. Ein Gutschein für zwei Stunden gemeinsam in den Sternenhimmel schauen: etwas. Ein betrunkener Kuss auf einer Party: irgendwas. Ein nüchterner Kuss zu zweit im Park: etwas. An dem Nachmittag spazierten wir die ganze Zeit herum, deuteten auf Dinge und sagten dazu irgendwas oder etwas . Hätte ich da aufmerksamer sein sollen? Alle Dinge aufschreiben? Nein, es war ein glücklicher Tag. Oder? Am Schluss hast du auf mich gezeigt und gesagt: etwas. Und ich hab auf dich gezeigt und gesagt: etwas. Davon rücke ich auch nicht ab.
    Jetzt war es ein Jahr später. Ich wünschte dir viel Glück und alles Gute zum Geburtstag. Schon wieder dieses Wort. Glück. Wie ein Fluch. Unser Streben nach Glück macht uns zutiefst unglücklich. Es ist eine Falle.
    Bevor irgendetwas anderes geschah, gab es da mich. Ich lag im Bett und dachte an dich. Wie du warst.
    Du sollst nicht glauben, dass ich dich vergessen habe.

1 A
    Ich sehe zu viele Dinge gleichzeitig. Ich nehme Schatten wahr. Denke über sie nach. Und während ich das tue, verpasse ich andere Dinge. Wichtige Dinge. Ich kann nicht aufhören, alles um mich herum wahrzunehmen, selbst wenn ich damit lieber aufhören möchte muss. Ich verliere mich in Wenns. Sie sind immer da wenn wenn wenn wenn, und es wäre besser, sie nur dann in meinem Kopf eingeschaltet zu haben, wenn ich auf der richtigen Frequenz unterwegs bin. Aber so ist das eben mit mir: Die Frequenzen splitten sich nicht auf.
    Der Tag war in meinem Kopf dein Geburtstag, aber überall sonst war er es nicht. Ich hätte den Leuten in der Schule am liebsten erzählt, dass heute dein Geburtstag war aber auf ihre Reaktionen darauf hatte ich keine Lust . Ich fing an, mir auszumalen, dass es eine große Überraschungsparty gab, von der weder du noch ich wussten. Sie wollten uns damit alle beide überraschen. Diesen Gedanken hatte ich nicht lang. Er blitzte nur für einen Moment auf. Ich tat so, als wäre es ein ganz normaler Tag ohne dich . Und wie an allen anderen ganz normalen Tagen hielt ich bis zum Ende durch. Man kann es schaffen, wie du siehst.
    Es gibt Dinge, die man beschließt , und es gibt Entscheidungen, von denen man nicht weiß, dass man sie trifft . An diesem Nachmittag beschloss ich, auf dem Heimweg die Abkürzung durch den Wald zu nehmen. Als ich den Weg entlangging, blickte ich auf den Boden, nicht zu den Baumkronen oder zum Himmel hoch. Hätte ich noch ein bisschen herumgetrödelt, weil ich nach der Schule mit jemandem gequatscht hätte, statt sofort nach Hause zu gehen – wenn dort jemand zum Quatschen gewesen wäre –, vielleicht wäre dann jemand anders vor mir an der Stelle vorbeigekommen. Ich habe mich nicht dafür
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