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Titan 03

Titan 03

Titel: Titan 03
Autoren: Frederik Pohl , Wolfgang Jeschke
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Bescheinigungen sowie für gelbe Bescheinigungen der Reserveliste. Vollständige Ausweispapiere sind mitzubringen. Um acht Uhr fünfundfünfzig wird eine Warnsirene ertönen.«
    Der Lautsprecher verstummte nach einem weiteren Krachen. Will wandte sich wieder seiner Frau zu und ergriff ihre Hand. Wenn es überhaupt einen gab, dann war dies der Augenblick, sie mitzureißen und von neuem für den Traum zu begeistern. Jetzt…
    Ihre Hand war kalt. Er versuchte Wärme hineinzudrücken und seine eigene Begeisterung und Hoffnung durch den Fingerdruck in sie einfließen zu lassen, und für die Dauer eines Augenblicks glaubte er, es sei ihm gelungen. Dann erwachte der Lautsprecher abermals zum Leben und dröhnte in den Raum.
    »Achtung: Für die Unterbringung von abschiednehmenden Freunden und Angehörigen der Kolonisten sind ausreichende Vorkehrungen getroffen worden. Alle autorisierten Besucher, die bis zum Start bleiben wollen, können sich zwecks Zuweisung einer Schlafgelegenheit an…«
    Den Rest hörte er nicht mehr, weil sie ihm plötzlich mit einem Ruck die Hand entzog, und er verstand, wofür ihm selbst noch die Worte fehlten.
    »Es ist nicht mehr viel Zeit«, sagte sie in einem seltsam blechern klingenden Ton.
    »Was soll das heißen?« fragte er. Wenn sie ihm etwas sagen wollte, dann sollte sie es jetzt tun.
    »Nun, die Bekanntmachung…« Sie zwinkerte neue Nässe aus den Augen. »Es hieß, um neun Uhr sollten…«
    »Ich habe es gehört. Nun sag schon, Sue, was hast du? Was willst du mir sagen?«
    Ihre Augen, plötzlich klar, waren groß und warm, als sie ihn jetzt ansahen. Er kannte diesen Blick; es war ein Blick voller Liebe und Verstehen, ein Blick, in dem für Berechnung oder Verstellung kein Raum war.
    »Ich bleibe hier«, sagte sie.
    »Ja. Das dachte ich mir.« Er fühlte nichts, weder innen noch außen. »Ich bin froh, daß du es über dich gebracht hast, mir das zu sagen.« Er stieß seinen Stuhl zurück; die Stuhlbeine kratzten mit unangenehmem Geräusch auf dem Bodenbelag.
    Sie starrte ihn an, die Augen noch immer geweitet, aber jetzt vor Verblüffung. »Wohin willst du…?«
    »Raus«, sagte er. »Ich will ein bißchen herumgehen.«
    »Gut«, sagte sie. Sie machte Anstalten, aufzustehen, und er mußte den Impuls unterdrücken, sie auf den Stuhl zurückzudrücken.
    »Hör zu, Sue«, sagte er in ruhigem, fast beiläufigem Ton. »Ich möchte eine Weile allein sein.«
    »Aber ich…«
    »Ich werde nicht lange ausbleiben. Einverstanden? Bis nachher.« Er ging schnell zum Ausgang, bevor sie antworten oder einen Entschluß fassen konnte. Die Glastür pendelte hinter ihm zu, und Sue konnte sehen, wie er auf den Stufen stehenblieb, um sich die Pfeife zu stopfen. Rauch du nur deine Pfeife, dachte sie wütend und höhnisch. Ab morgen wird es damit vorbei sein!
    Er brachte die Pfeife in Gang und schlenderte die Straße hinunter und zu den freien Flächen diesseits des hohen, doppelt gesicherten Drahtzauns, der das gesamte Gelände umgab. Der Wind blies ihm kalt ins Gesicht und durch die Kleider, vermochte aber nicht das Inferno zu kühlen, das in ihm loderte.
    Er sollte sie hassen. Sie hatte ihn im Stich gelassen, hatte sich aus dem Traum seines Lebens zurückgezogen. Am liebsten hätte er laut aufgebrüllt.
    Warum? dachte er gequält. Seit wann? Seit wann hatte sie ihn belogen und getäuscht? Wie lange wußte sie schon, daß sie bleiben würde? Die Frage war überflüssig; er wußte, wie lange. Seit sie den Erhalt der weißen Annahmebescheinigungen gefeiert hatten. Aber warum?
    Warum mußte sie überhaupt lügen? Warum mit diesem billigen Spiel alles entwerten, was sie gemeinsam geplant und gewünscht hatten? Wie konnte sie?
    Sie versuchte aufzustehen. Sie wollte ihm nachlaufen und alles erklären, aber ihre Beine waren wie aus Gummi und nutzlos. Sie blieb auf dem Stuhl sitzen und starrte dumpf vor sich hin, bis sie eine Stimme an ihrem Ohr hörte.
    »Ist Ihnen nicht gut, meine Dame?« fragte der Kellner.
    »Oh. Nein, es ist alles in Ordnung, danke.« Sie stand auf, und ihre Beine gehorchten ihr. Sie schenkte dem jungen Kellner ein mechanisches Lächeln. »Entschuldigen Sie. Sicherlich möchten Sie längst den Tisch abräumen.«
    Er nickte zögernd. »Wir schließen gleich«, sagte er. »Aber Sie sehen wirklich blaß und schlecht aus. Ich kann einen Arzt verständigen, wenn Sie…«
    »Danke, das ist nicht nötig«, sagte sie. »Wirklich nicht. Ich fühle mich gut.«
    Sie ging hinaus und stand fröstelnd auf den
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