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Titan 03

Titan 03

Titel: Titan 03
Autoren: Frederik Pohl , Wolfgang Jeschke
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Sie«, sagte Dr. Rasp geduldig.
    »Achtung!« sagte Hooten mit einer wild zappelnden Anstrengung. »Er will mir schon wieder eine Spritze geben.«
    Dr. Rasp wickelte seine Fühler fester um die Hootens und gab mehr Saft.
    »Übersommern Sie«, sagte er, dann kam ihm plötzlich ein Gedanke. »Auch Sie, Doktor Scott. Haben Sie mich gehört? Sie werden übersommern, Doktor Scott. Entspannen Sie sich. Stellen Sie die Gegenwehr ein. Sie sind in einem warmen, behaglichen, moderigen Bau. Sie beginnen zu übersommern, Doktor Scott…«
    »Jetzt versucht er auch Sie zum Übersommern zu drängen«, sagte Hooten, der sich gequält auf der Couch wand.
    Dr. Scott lächelte grimmig. Er beugte sich vor und fixierte Hooten mit herausforderndem Blick.
    »Entspannen Sie sich«, sagte er. »Ich spreche zu Ihnen, Doktor Rasp. Entspannen Sie sich und schlafen Sie. Ich werde Ihnen gleich eine weitere Dosis Pentothal verabreichen, und die wird Sie einschläfern. Hören Sie mich, Doktor Rasp?«
    »Mein Gott!« sagte Hooten, verwirrt mit den Augen zwinkernd. »Mir ist zumute, als ob ich an Wechselstrom angeschlossen wäre. Wie soll das nur weitergehen? Ich warne Sie – wir sollten lieber damit aufhören, ehe…«
    Er quietschte, als Dr. Scott seine Haut abermals mit einer Injektionsnadel durchbohrte. Diesmal enthielt die Spritze jedoch eine harmlose und unwirksame Lösung, die lediglich psychosomatischen Zwecken diente. Hooten hatte die Toleranzschwelle für Natriumpentothal bereits erreicht und sollte längst in tiefem Schlaf liegen.
    »Schlafen Sie ein, Doktor Rasp!« befahl Dr. Scott in festem, zuversichtlichem Ton.
    »Übersommern Sie, Doktor Scott!« befahl Dr. Rasp.
    »Schlafen Sie.«
    »Übersommern Sie.«
    »Schlafen Sie!«
    »Übersommern Sie!«
    »Ohh!« rief Timothy Hooten und sprang taumelnd auf, erfüllt von der Gewißheit, daß endlich etwas nachgegeben hatte.
    In Dr. Scotts Behandlungszimmer flimmerte die Luft um eine käferartige Gestalt, die auf allen sechsen taumelte. Dr. Rasps Fühler vibrierten aufgeregt, als seine Facettenaugen in ungläubiger Benommenheit das Fenster, das Empire State Building und Timothy Hootens groteske Zweifüßlergestalt erblickten.
    Dr. Scott stierte in abgrundtiefer Bestürzung durch das Schimmern aufgestörter Raumzeit auf die vor ihm ruhende Gestalt. Sie hatte die sechs Beine entspannt an den ovalen Körper gefaltet und starrte ihn aus großen Facettenaugen an. Eine abenteuerliche Vermutung verschlug ihm fast den Atem, doch dann schüttelte er den Kopf. »Natürlich eine Halluzination«, sagte er sich benommen. »Natürlich, natürlich…«
    Er wandte den Kopf, um aus dem vertrauten Anblick seiner Praxis Beruhigung und Zuversicht zu beziehen, und sein Blick fiel auf den Deckenschlitz und die sich dahinter entfaltende Aussicht. Der erste Schimmer einer schrecklichen Erkenntnis begann ihm zu dämmern. Er hatte nie zuvor ein Quatt Wunkery gesehen.
     
    Aus dem Amerikanischen übersetzt von Walter Brumm

Die Auswanderer
    (So Proudly We HAIL)
     
JUDITH MERRIL
     
     
    Die weite graue Betonfläche, leer und öde bis auf die Gittermasten und Installationen der Abschußrampe. Dort, eingehüllt in Schatten und umgeben von den Metallgerüsten, ruhte das ungefüge Heck der Rakete auf dem Boden. Hoch oben durchbohrte die nadelförmig zulaufende Spitze die dünne Luft, ein blutigrotes Fanal im Sonnenuntergang.
    Am Rand der Betonfläche erhob sich eine Reihe fantasieloser Würfelhäuser, gegossen aus dem gleichen Beton, auf dem sie standen. Hinter einem erhellten Fenster saßen Gruppen von Männern und Frauen beim Abendessen. Sie sprachen mit raschen, leisen Stimmen, lachten zu laut; schlürften dampfenden Kaffee oder kauten Brot und Fleisch, das den Hunger nicht stillen konnte, der in ihnen war.
    … im letzten Schimmer des Zwielichts die jäh aufschießende Glut…
    Die Worte gingen ihr wieder und wieder durch den Sinn, Jahrhunderte nachdem sie von einem Mann geschrieben worden waren, der auch bis zum Morgen hatte warten müssen, aber seltsam angemessen. Sie gingen ihr im Kopf herum und verdrängten die anderen, die sie für diesen Abend aufgespart hatte. Die sie aussprechen mußte, bald, jetzt!
    »Ich glaube, ich sollte es dir jetzt sagen.«
    Im Wandspiegel konnte Sue sehen, wie ihre Lippen die Worte formten, genau bemessene Bewegungen in der maskenhaften Starre ihres Gesichts. Der aus Dosen und Näpfen sorgfältig zurechtgemachten Maske zivilisierten Rollenverhaltens, hinter der die Blässe der Angst
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