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Der wahnsinnige Xandor

Der wahnsinnige Xandor

Titel: Der wahnsinnige Xandor
Autoren: Ernst Vlcek
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Ernst Vlcek
    DER WAHNSINNIGE XANDOR
    »Nottr chom fanchn!« rief Iki über den Strand, während sie Chnoch mit wild schlagenden Hufen im seichten Ufer tänzeln ließ, dass das Wasser schäumend aufspritzte.
    »Tutt ir murkn!« antwortete Nottr lachend seiner linken Flankenschwester.
    Iki war ein unbändiges Weib. Mit ihrem Übermut riss sie die anderen mit und stachelte sie zu einem Blutrausch auf. Schade nur, dass sie diesen nicht würden stillen können. Denn auf den Wogen des Meeres trieb nur eine einsame Gestalt.
    Was war schon ein einzelner Gegner für eine Kriegerschar, deren Zahl der von fünfzehn Viererschaften entsprach! Vermutlich würde er nach den Anstrengungen, die es ihn kostete, sich über Wasser zu halten, nicht einmal die erste Runde des Fanchn-Spiels überstehen.
    Nottr fand keinen Spaß daran, einen ohnehin erschöpften Mann zu Tode zu hetzen. Darum beteiligte er sich nicht an dem Spiel. Er tätschelte seiner Stute Nardor beruhigend die Flanke und blickte aufs Meer hinaus.
    Der einzelne Schwimmer war dem Ufer schon recht nahe. Aber nun zögerte er und trat Wasser. Der Anblick der Krieger schien ihn einzuschüchtern. Ihm musste klar sein, dass er nur die Wahl hatte, entweder in den Fluten zu ertrinken oder im Kampf zu fallen. Nottr hoffte für seine Leute, dass er ein richtiger Mann war.
    Jetzt näherte er sich wieder mit gemächlichen Schwimmbewegungen dem Ufer. Die Krieger dankten es ihm mit wildem Geschrei. Ihr Blut kochte, es dürstete sie nach Kampf.
    Nottr hatte geglaubt, dass die Meeresstrände dichter bewohnt seien und dass sie hier reichlich Beute finden würden. Darum hatte er seinen Haufen mit dem Ruf: »Zur zonn!« der untergehenden Sonne entgegengeführt. Aber die Strände waren so leer und unbewohnt wie das öde Hinterland.
    Die Enttäuschung der Lorvaner war groß, als sie vor sich nichts als die endlose Wasserwüste sahen. Nottr fürchtete schon, dass sie sich seinem Befehl widersetzen und umkehren würden, wie es der Schamane vor seinem Tod geraten hatte.
    Aber dann tauchte ein Schiff auf, das geradewegs auf das Ufer zuhielt. Es näherte sich in seltsam stiller Fahrt, gleich einem Geisterschiff. Erst als es fast in Reichweite der Bogen war, konnte man erkennen, dass es bemannt war. Doch schnell drehte das Schiff bei und fuhr in einem gleichbleibenden Sicherheitsabstand das Ufer entlang.
    Nottr hatte seine Krieger lange zügeln können. Doch als diese erkannten, dass das Schiff nicht anlegen würde, war es um ihre Beherrschung geschehen. Ikis Schrei: »Da champf!« riss die anderen mit, und sie preschten auf ihren Pferden aus den Verstecken hinter den Dünen, als wollten sie das Wassergefährt im Sturmlauf nehmen. Doch das Meer erwies sich für die Reiter als unüberwindliches Hindernis.
    Die Krieger hätten ihrer Wut am liebsten mit einem Pfeilhagel gegen das Schiff Luft gemacht. Doch Nottr fuhr mit Worten und Fäusten drein und erreichte, dass sie davon abließen. Seine Krieger sahen ein, dass jeder Pfeil, der die Sehne in Richtung offenes Meer verließ, unwiederbringlich verloren war.
    Der Durchzug durch die Friedländer war sehr verlustreich gewesen. Ugalien war ihnen zum Schicksal geworden. Dort war nicht nur fast all ihr Rüstzeug verlorengegangen, sondern Nottr hatte bei den erbitterten Kämpfen gegen die Ugalier auch die Hälfte seiner Krieger eingebüßt. Es gab keine Viererschaft, die noch vollständig gewesen wäre. Beim letzten Kampf hatte es seine rechte Flankenschwester Fada erwischt.
    Nottr war über Fadas Tod noch nicht hinweggekommen, sie war so sinnlos gestorben. Nonu hätte es verhindern müssen. Nonu, die Rückenschwester seines Gevierts.
    Nottr wurde aus seinen Gedanken gerissen, als sich ein Reiter an seine Seite gesellte. Als er Nonu erkannte, erwachte wieder sein Zorn über ihr Versagen. Er hätte sie am liebsten geschlagen, aber er herrschte sie nur an: »Che fanchn!«
    Einen Moment lang sah sie ihn aus ihren großen Augen fragend an. Dann, als sie merkte, dass sich seine Narbe, die quer über den Mund verlief, vor Wut rötete, gehorchte sie wortlos und trieb ihr Pferd zum Ufer.
    Nottr starrte auf ihren Rücken, der keinerlei Fellbesatz aufwies. Sie hatte darüber einen Umhang geworfen, der aus der Haut einer Stacheltierart gefertigt war. Nur auf ihren Knien, den Waden und auf der Herzbrust war ihre Haut mit Tierfell verwachsen.
    Erst jetzt fiel Nottr auf, dass Nonu keine einzige Narbe am ganzen Körper hatte. Ihr flaches Gesicht mit der etwas zu schmalen,
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