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Titan 03

Titan 03

Titel: Titan 03
Autoren: Frederik Pohl , Wolfgang Jeschke
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gibt kein Geheimnis, das für irgendeine Gruppe von Nutzen wäre. Es ist ein Geheimnis nur für Einzelpersonen.«
    »Ich verstehe Sie nicht.«
    »Das dachte ich mir. Bringen Sie mich zu Carpenter.«
    Man brachte Scrim in Carpenters Büro, wo er den General boshaft angrinste, ein rothaariger, unterernährter Teufel.
    »Hören Sie gut zu«, sagte Scrim. »Was ich Ihnen zu erklären versuche, ist so gewaltig, so seltsam und neu, daß ein sehr hartes und scharfes Werkzeug nötig sein wird, um da hineinzuschneiden.«
    Carpenter machte ein erwartungsvolles Gesicht.
    »Nathan Riley geht in das frühe zwanzigste Jahrhundert zurück. Dort führt er das Leben seiner Wunschträume. Er ist ein großer Spieler, der Freund von Diamond Jim Brady und anderen. Er gewinnt sein Geld, indem er Wetten auf künftige Ereignisse abschließt. Natürlich gewinnt er die Wetten, weil er den Ausgang immer im voraus weiß. Er wettete, daß Eisenhower als Sieger aus einer Wahl hervorgehen würde, und gewann Geld damit. Er wettete, daß ein Preisboxer namens Rocky Marciano einen anderen namens Roland La Starza schlagen würde, und verdiente damit einen riesigen Batzen Geld. Ein weiteres gutes Geschäft machte er, als er Henry Ford half, eine Automobilfabrik zu errichten. In dieser Aufzählung sind wichtige Hinweise enthalten. Können Sie etwas damit anfangen?«
    »Nicht ohne eine historisch‐soziologische Analyse durch Spezialisten«, antwortete Carpenter. Er griff zum Knopf der Sprechanlage.
    »Lassen Sie das. Ich werde es Ihnen erklären. Nehmen wir weitere Hinweise. Lola Machan, zum Beispiel. Sie flüchtet sich ins Römische Reich, wo sie das Leben ihrer Träume als femme fatale führt. Alle Männer lieben sie. Julius Caesar, Brutus, die gesamte zwanzigste Legion, ferner ein Mann namens Ben Hur. Sehen Sie den Irrtum?«
    »Nein.« »Sie raucht auch Zigaretten.« »Nun?« fragte Carpenter nach einer Pause. »Ich fahre fort«, sagte Scrim und seufzte. »George Hammer bevorzugt das England des neunzehnten Jahrhunderts, wo er ein Unterhausmitglied und mit Gladstone, Canning und Disraeli befreundet ist, der ihn in seinem Rolls Royce mitnimmt. Wissen Sie, was ein Rolls Royce ist?«
    »Nein.« »Es war der Name eines Automobils.« »Und?« »Sie verstehen noch immer nicht?« »Nein.« Scrim begann erregt auf und ab zu gehen. »Carpenter, diese Entdeckung ist größer als Psychokinese oder Zeitreisen. Dies könnte die Rettung der Menschheit sein. Diese zwei Dutzend Schockpatienten in Abteilung T wurden durch die Schrecken des Krieges in etwas so Gigantisches gestoßen, daß es kein Wunder ist, wenn Ihre Spezialisten und Experten es nicht verstehen können. «
    »Was zum Teufel ist größer als Zeitreisen, Scrim?« »Passen Sie auf, Carpenter. Eisenhower kandidierte erst in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts für ein politisches Amt. Nathan Riley konnte nicht ein Freund von Diamond Jim Brady gewesen sein und auf Eisenhower als Wahlsieger gesetzt haben – jedenfalls nicht gleichzeitig.
    Brady war schon fünfundzwanzig Jahre tot, als Eisenhower zum Präsidenten gewählt wurde.
    Marciano besiegte La Starza fünfzig Jahre, nachdem Henry Ford seine Autofabrik gründete. Nathan Rileys Zeitreise ist voll von solchen Anachronismen.«
    Carpenter schaute verdutzt drein.
    »Lola Machan konnte Ben Hur nicht als Liebhaber gehabt haben. Ben Hur existierte nicht im Römischen Reich. Er existierte überhaupt nicht. Er ist eine Figur aus einem zu Recht vergessenen Roman.
    Sie konnte auch nicht geraucht haben. Tabak war damals in der alten Welt unbekannt. Sehen Sie? Weitere Anachronismen. Disraeli konnte George Hammer niemals in einem Rolls Royce mitgenommen haben, weil Automobile erst lange nach Disraelis Tod erfunden wurden.«
    »Was Sie nicht sagen!« rief Carpenter. »Sie meinen, diese Leute lügen alle?«
    »Nein. Vergessen Sie nicht, die Patienten benötigen keinen Schlaf. Sie essen nicht. Sie haben nicht gelogen; sie gehen tatsächlich in der Zeit zurück. Sie essen und schlafen dort.«
    »Aber Sie sagten eben, diese Geschichten wären falsch, steckten voller Anachronismen.«
    »Weil sie in eine Zeit zurückgehen, die ihrer eigenen Einbildung entstammt. Nathan Riley hat seine eigenen Vorstellungen davon, wie Amerika im frühen zwanzigsten Jahrhundert aussah. Sie ergeben ein fehlerhaftes und anachronistisches Bild, weil er kein Gelehrter ist; aber für ihn ist dieses Bild Wirklichkeit. Er kann dort leben. Das gleiche gilt für die anderen.«
    Carpenter
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