Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Titan 03

Titan 03

Titel: Titan 03
Autoren: Frederik Pohl , Wolfgang Jeschke
Vom Netzwerk:
ausgemalt hatte.
    Oder es stellte sich heraus, daß sie recht hatte. Es konnte kaum ohne Schwierigkeiten und schlimme Erfahrungen abgehen. Wer sich für das Abenteuer gemeldet hatte, war bereit, das Leben zu riskieren. Warum das alles jetzt hervorzerren? Wozu das Unheil beschwören, ehe seine Natur bekannt war?
    Wenn er sich jetzt auf ein Gespräch einließ, würden sie wieder von vorn anfangen. Über die beiden ersten Expeditionen, und was aus ihnen geworden sein mochte. Über das Leben in einer kalten Wüste, über Kuppelhäuser aus Plastik und das Atmen durch ein Sauerstoffgerät. Über alle denkbaren Gefahren und Mühseligkeiten und Schwierigkeiten, die sie erwarteten.
    Er wollte nicht mehr darüber reden. Nicht jetzt. Diese eine Nacht galt es noch durchzustehen, und dann würden sie an Bord sein, und einmal unterwegs, würde sie ihre Sorgen vergessen. Die vielfältigen neuen Eindrücke des Bordlebens würden alles das in den Hintergrund treten lassen.
    Noch eine Nacht. Nach den zwei Monaten Wartezeit, seit sie ihre Bescheide erhalten hatten, war das so gut wie nichts. Neun Wochen lang hatte er beobachtet, wie die Anspannung harte Linien um ihren Mund gezogen hatte; neun Wochen lang war er ihren Blicken ausgewichen, hatte ihr gut zugeredet und versucht, Besorgnisse zu zerstreuen, die sie niemals offen ausgesprochen hatte und nicht zugeben wollte.
    Es ist deine eigene Schuld! sagte er sich. Nur einmal hatte er sie wegen ihrer Befürchtungen ausgelacht. Das lag weit zurück, aber sie hatte es nicht vergessen. Sie wollte und konnte nicht zugeben, daß sie sich ängstigte.
    Er blickte schnell in den Spiegel, sah die starre Maske ihres Gesichts und wandte seine Aufmerksamkeit wieder den Vorgängen bei der Startrampe zu, wo der beladene Aufzug sich eben in Bewegung setzte, während der Stapler über die Betonfläche zu den Lagerschuppen hinüberrollte. Der auffrischende Wind fegte Staub über den Startplatz und hüllte die stählernen Gerüste für kurze Zeit in graue Schleier; ein Wind aus den Weiten des Nordens, der den feinen Staub der Prärien nach Kansas brachte, wo die Betonfläche mehrere Hektar des ebenen Landes bedeckte. Er pfiff durch den Metallgitterzaun und um die Betonwürfel der Gebäude, fuhr durch die Fensterritzen der Kantine, in der sie saßen, und spielte mit den Vorhängen. Sue fühlte den Luftzug im Gesicht und bedeckte die Wange mit der Hand, wie um die Berührung für irgendein künftiges Bedürfnis festzuhalten.
    Aber das Bedürfnis ist seins, dachte sie. Für mich wird es diesen Wind auch morgen noch geben. Den Wind und die Bäume und das Gras, und auch die warme Sonne an Meeresstränden, die sie gemeinsam besucht hatten. Das alles blieb ihr; ihr allein.
    »Will!« sagte sie mit einem verzweifelten Unterton. Der Name war wie ein Gebet.
    Er tastete nach ihrer Hand, ohne hinzusehen. »Was ist, Sue?« sagte er zum Fenster, der Rakete und den Scheinwerferkegeln draußen. Er wandte nicht einmal den Kopf. »Irgendwas nicht in Ordnung?«
    Ihre Haltung versteifte sich in jäh aufwallendem Zorn; sie ballte die Fäuste unter dem Tisch und krümmte die Zehen, als wollte sie sich in den Boden krallen. Er schien es zu fühlen, und als er sich endlich mit einem etwas einfältigen Lächeln zu ihr wandte, blitzten ihre Augen ihn an.
    »Entschuldige«, sagte er. »Ich fürchte, ich habe nicht richtig zugehört.« Seine Stimme klang müde, als koste es ihn eine große Anstrengung, so wenig zu sagen. Aber er versuchte es wenigstens. »Was ist los, Sue?«
    »Ich liebe dich, Will.«
    Er betrachtete sie forschend. »Warum sagst du es in diesem Ton?« fragte er nach einer Pause. »Es hört sich an, als ob es etwas für eine Beerdigung wäre.«
    »Könnte man bei einer Beerdigung Besseres sagen?«
    »Du bist in einer höllischen Stimmung.«
    So, du hast es also doch bemerkt, dachte sie, und fast hätte sie es laut ausgesprochen. »Tut mir leid«, sagte sie. Zu seiner Bestürzung sah er, daß sie Tränen in den Augen hatte.
    »Warum weinst du?«
    »Ich weine nicht.« Sie betupfte sich die Augen mit dem Taschentuch.
    »Na schön«, sagte er. »Gut. Dann gibt es also keinen Grund zur Beunruhigung. Dann ist alles in bester Ordnung.« Er war im Begriff, sich wieder zum Fenster zu wenden, als der Lautsprecher über der Tür krachte und blechern zu dröhnen begann:
    »Alle Kolonisten haben sich um neun Uhr zur letzten Untersuchung und Einweisung im Verwaltungsgebäude einzufinden. Dies gilt für alle Inhaber von weißen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher