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Titan 03

Titan 03

Titel: Titan 03
Autoren: Frederik Pohl , Wolfgang Jeschke
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Stirnseite des Verwaltungsgebäudes zeigte 8:35.
    Er mußte zurückgehen. Er hatte es ihr versprochen.
    Ein anderer? Nun, wie war es damit? Warum nicht? Ein Liebhaber. Es schien die einzig mögliche Antwort, und es hatte dieses Mitgefühl heuchelnden, taktlosen Kerls bedurft, um ihn darauf zu bringen! Zwei Monate der Sorgen und des Grübelns, während er alle die kleinen Veränderungen bemerkt hatte, alle die unbedeutenden kleinen Anzeichen, die ihm gesagt hatten, daß etwas nicht stimmte. Und er hatte sich eingeredet, daß sie Angst habe, und hatte damit alle tiefergehenden Fragestellungen unterdrückt. Nun aber kam alles wie eine verdorbene Mahlzeit hoch und ließ ihn schwach und gereinigt zurück.
    Es war die einzig mögliche Erklärung.
    Will klopfte seine erkaltete Pfeife an einem Pfosten aus und steckte sie in die Tasche. Bedächtig und unerwartet ruhig überlegte er, was er mit dem Rest der Zeit anfangen solle. Noch neunzehn Minuten, sagte ihm die Uhr.
    Wartete Sue noch immer auf ihn?
    Ob sie wartete oder nicht, es ließ ihn nun kalt. Es war Gleichgültigkeit oder Benommenheit – was es auch war, es spielte keine Rolle. Er hatte ihr versprochen, zurückzukommen. Aber was bedeutete ihr ein Versprechen? Vielleicht war sie inzwischen zu dem anderen gegangen, um ihm zu sagen, daß sie endlich frei sei.
    Will kehrte der Rakete den Rücken und schlenderte langsam weiter. Er wollte Sue nicht sehen. Unter gewöhnlichen Umständen hätte er sie zur Rede gestellt und ihr Verhalten verurteilt. Er hätte sie verachtet und vielleicht gehaßt, weil sie ihn betrogen hatte. Aber er fühlte nichts.
    Sie erinnerte sich noch deutlich an den Augenblick, als sie den Umschlag geöffnet und die beiden Bescheide gesehen hatte, seinen und ihren – weiß und rosa. Weiß für Erfolg und Rosa für Mißerfolg. Das Radio hatte Schlagermusik gespielt, und sie hatte mitten in der Küche gestanden und entsetzt auf die beiden Blätter Papier gestarrt, die nicht zusammenpaßten. Es war das erste Mal gewesen, daß es für sie und Will nicht geklappt hatte.
    Nach und nach, während der Schlager zu Ende dudelte und der Ansager das nächste Stück ankündigte, war die Bedeutung in ihr Bewußtsein eingesickert: Ich werde bleiben… ich kann nicht mit…
    Sie verschwieg Will an jenem Abend, daß die lange erwarteten Bescheide gekommen waren. Sie mußte die Sache erst überdenken und entscheiden, was zu tun sei und wie sie es ihm sagen solle. Denn mit der Erkenntnis des Mißerfolgs begann eine weitere Gewißheit in ihr Gestalt anzunehmen.
    Wenn sie es ihm sagte, würde auch er bleiben. Er würde zu Haus bleiben und an sternklaren Abenden hinausgehen, um auf dem Hof zu stehen, seine Pfeife zu rauchen und zum Himmel hinaufzustarren, wie er es immer zu tun pflegte. Nun aber würde es anders sein: er würde allein dort draußen stehen und nicht dulden, daß sie zu ihm käme. Und wenn er ins Haus zurückkehrte, würde er ihrem Blick ausweichen und mit seinem Schicksal hadern.
    Du wirst gehen, Will, gelobte sie, als sie das verstanden hatte. Deine Seele dürstet danach, und ihr Durst soll gestillt werden, auch wenn es mein Unglück bedeutet.
    Nun, sie hatte wohl ein Recht auf ein wenig Melodram in ihren geheimsten Gedanken, und es gab ihr die Kraft zum Handeln.
    Am nächsten Tag ging sie in die Poliklinik, wo ihre medizinische Untersuchung stattgefunden hatte, und ließ sich erklären, was es mit dem ›calcinierten Knoten‹ auf sich hatte. Es war nur ein Überbleibsel einer längst ausgeheilten Tuberkulose, mit dem sie auf Erden nie irgendwelche Schwierigkeiten haben würde – das unter den völlig anderen Bedingungen auf dem Mars jedoch zu einem Rückfall und tödlicher Erkrankung führen konnte.
    Sie bat, man möge eine Ausnahme machen, und sagte, sie wolle die Gefahr in Kauf nehmen.
    »Das ist leider ausgeschlossen, Mrs. Barth. Sie müssen verstehen, daß die Transportkosten zu hoch und die Unterbringungsmöglichkeiten an Bord zu beschränkt sind, um Leute mitzunehmen, deren körperliche Belastbarkeit nicht die größtmögliche Gewähr dafür bietet, daß die Anstrengungen und Entbehrungen des Lebens auf einer fremden Welt ausgehalten werden können…«
    Sie waren freundlich und verständnisvoll – aber fest.
    Am Abend hatte sie eine Fotokopie mit eingesetztem Text bereit, eine Nachahmung, die zwar nicht gut genug war, um sie durch die Kontrollen an Bord zu bringen, aber einwandfrei genug aussah, um Will zu überzeugen, wenn er sie flüchtig
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