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Titan 03

Titan 03

Titel: Titan 03
Autoren: Frederik Pohl , Wolfgang Jeschke
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betrachtete. Als er nach Haus kam, zeigte sie ihm beide Bescheinigungen, und Will lud sie zum Abendessen ein, um den Anlaß zu feiern.
    Später, als er schlief, kroch sie aus dem Bett und ging vor die Tür, um zum Sternhimmel aufzublicken. Dann setzte sie sich auf die Eingangsstufe und weinte; und als er aufwachte und sie vermißte und vor der Türschwelle fand, glaubte er zu verstehen. Er trug sie wieder hinein und war fröhlich und zärtlich und machte Späße. Sie bereiteten Kakao in der Küche, während er von den Gefahren sprach, die sie gemeinsam bestehen würden, sie ermutigte und ihr mit allen Kräften zu helfen versprach.
    Das war das letzte Mal, daß sie weinte. Von da an zwang sie sich, ihm nichts als Liebe zu zeigen und nichts zu tun oder zu sagen, was die selbstlose Lüge zerstören könnte, die ihm geben sollte, was er am meisten wünschte.
    Und nun konnte sie ihm endlich die Wahrheit sagen, denn ein Rücktritt war kaum noch möglich. Er würde in letzter Minute keine Kehrtwendung vollziehen.
    Aber jetzt wollte er nicht anhören, was sie zu sagen hatte. Und vielleicht…
    Vielleicht war es besser so.
    Wo war er? Warum kam er nicht zurück? Er hatte es versprochen… Zum erstenmal kam ihr der Gedanke, daß sie ihn womöglich niemals wiedersehen würde. Sie krümmte sich bei der Vorstellung, als habe sie einen Schlag in den Magen bekommen.
    Es ist besser so, sagte sie sich, als sie sich aufrichtete. Besser für ihn…
    »Will! Hier bin ich!«
    Beinahe wäre er unbemerkt vorbeigegangen. »Will…« »Oh… hallo!« Es klang so beiläufig, als ob es ein Abend wie jeder andere wäre und er seinen gewohnten Verdauungsspaziergang gemacht hätte. Als ob es ein Morgen gäbe.
    Für ihn gab es ein Morgen. Und du hast es mir zu verdanken, Will, dachte sie. Rechne mir wenigstens das als Verdienst an… Sofort schämte sie sich des Gedankens. Wie sollte er wissen, was sie für ihn getan hatte, und aus welchen Motiven?
    »Ich denke, wir können uns genausogut jetzt verabschieden.« Sein Gesicht war eine kalte Steinplastik in der Dunkelheit. »Es hat keinen Sinn, daß du bis zum Morgen wartest«, sagte er. »Du hast es ihnen längst gesagt, nicht wahr?« fragte er. »Ich meine, vermutlich bin ich der Letzte, dem du es gesagt hast?«
    Gut, er war wütend. Sie brauchte sich nicht zu verteidigen. »Ich würde lieber bis zum Morgen bleiben«, sagte sie, die Worte aus der Trockenheit ihres Mundes zwingend, »aber wir können uns jetzt verabschieden, wenn du willst.«
    »Ich will.«
    Er grinste, ein verkrampftes Dehnen der Lippen über zusammengebissenen Zähnen, die seine Nonchalance als unecht entlarvten. »Also mach’s gut, Sue«, sagte er, und ein Mundwinkel verzog sich ein wenig nach oben. »Es war nett, dich zu kennen.«
    Er legte die Hände leicht auf ihre Schultern, beugte sich vor und küßte sie flüchtig auf die Stirn.
    Nein, nicht so, Will! O nein! Ihr eigener Schmerz löste sich von dem seinen in Nichts auf. »Bitte, Will«, sagte sie mit erzwungener Ruhe.
    »Hör mich eine Minute lang an. Ich möchte dir sagen…«
    »Ich glaube, das ist überflüssig, Sue.«
    Sie schluckte, befeuchtete die trockenen Lippen, zwinkerte gegen das Brennen in den Augen an und begann von neuem.
    »Doch, ich glaube jetzt, es ist besser, wenn ich es tue. Ich bin… ich wurde dis…«
    »Ich will nichts hören!« explodierte er; und sie sah das Zucken um seine Mundwinkel und fühlte das krampfhafte Zupacken seiner Finger, als er um einen Rest von Selbstbeherrschung kämpfte.
    Beide schwiegen. Gefrorene Stille, während die zusammengekniffenen blauen Augen in ihr aufgelöstes Gesicht starrten.
    »Ich…« Sie öffnete den Mund, aber es war nicht länger möglich, die Worte hervorzubringen. Schließlich kam eine Art Krächzen heraus: »Will, ich…«
    »Hör auf!« sagte er, um mit plötzlicher und unerwarteter Sanftheit hinzuzufügen: »Laß gut sein, Sue. Ich verstehe schon.« Bitterkeit verzog seinen Mund und strafte die Worte Lügen; und mit jäh wieder aufflammendem Zorn sagte er: »Sei einfach still, das genügt!« Dann glitten die Hände von ihren Schultern und drückten sie sekundenlang so fest an ihn, daß es ihr den Atem aus den Lungen preßte; Leidenschaft und Schmerz eines verlorenen Lebens, komprimiert in einem immerwährenden Augenblick.
    Er versteht mich! Während der kleinen Frist der Umarmung glaubte sie es, wollte sie es glauben. Doch als seine Arme sie losließen, löste sich eine selten gehörte,
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