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The Doors

The Doors

Titel: The Doors
Autoren: Greil Marcus
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alte »Whole Lotta Shakin’ Goin’ On«-Trick, der »Shout«-Trick –, doch hier wirkt es vollkommen neu. Statt eines Tanzschuppens mit einer schreienden Menge, die plötzlich den Atem anhält, ist es nun Mitternacht an einem Strand, die Wellen fast reglos, der Himmel blauschwarz, der Mond hell genug, um Gesichter zu erkennen, und nah genug, um ihn berühren zu können. Genau das ist das Gefühl, und man möchte, dass der Song für immer an dieser Stelle verharrt. Man will nicht, dass er wieder auf den Highway zurückkehrt. Man möchte sich überhaupt nicht mehr bewegen. Man möchte nur noch – und dann, viel zu schnell, kracht ein Haus über der Musik zusammen, und man kann sich nicht mehr daran erinnern, dass der Song jemals innegehalten hat, dass er auch woanders hätte hingehen können als direkt geradeaus, geradewegs in eine Mauer, wie es nun scheint.
    Gegen Ende der Nummer – und wieder ist es so, dass du ungläubig Wie bitte? Was? sagen würdest, wenn dich jemand am Arm packen und zu dir sagen würde: Hast du bemerkt, dass dies alles in gerade einmal 110 Sekunden passiert ist, etwas, wofür Jerry Lee Lewis drei Minuten benötigte, und die Isley Brothers fast fünf? – gipfelt das Ganze in purer Raserei, in einer wilden Eruption, und Morrisons Sprung in den ersten Sekunden des Songs ist nun kaum mehr als ein Zögern. »Specialize in having fun«, sagt er – Konzentriere dich darauf, Spaß zu haben –, doch was immer gerade passieren mag, es ist größer, bedeutender als alles, was diese Sentenz beinhalten könnte. Es steht zu viel auf dem Spiel. Es ist zu viel zurückgelassen worden. Du hast dich viel zu schnell bewegt, singt Morrison zum Schluss des Songs, wo doch alles, was dir die Musik – das Schlagzeug, die Orgel, die Gitarre, die Stimme – gesagt hat, darauf hinauslief, dass du dich viel zu langsam bewegst, dass du stillstehst, dass du noch nicht einmal begonnen hast, dich zu bewegen.
    »Take It as It Comes«, The Doors (Elektra, 1967).

    Where the Action Is! Los Angeles Nuggets 1965-1968 (Rhino, 2009). Mit anämischen Gesangsdarbietungen, einem knisternden Sound, Gitarren, die vergeblich wie Glocken zu läuten versuchen, Peter Fondas »November Night«, den Common Cold, Pasternak’s Progress und ähnlichen längst vergessenen oder einem heute wie reine Fantasiegebilde anmutenden Bands, Gene Clarks wenig überzeugendem »Los Angeles« (er singt die Formulierung »city of doom«, als habe jemand anders den Song geschrieben und als wisse er nicht, was »doom« bedeutet), einer miserablen, von der West Coast Pop Art Experimental Band verbrochenen Coverversion von Sonny Knights 1961 erschienenem Deep-Soul-Klassiker »If You Want This Love«, Rick Nelsons »Marshmallow Skies«, seinem aufgeblasenen Versuch in Sachen Psychedelia, und »Back Seat ’38 Dodge«, einer Nummer, inspiriert von Ed Kienholz’ 1964 entstandener, berühmt-berüchtigter, nach wie vor schockierender, lebens- beziehungsweise todesgroßer Assemblage, die das aus Long Beach stammende Quartett Opus 1 in einen kleinen Horrorfilm verwandelt: »What’s in the back seat of my ’38 Dodge? I really want to know.« Doch selbst Jackie DeShannons unwiderlegbares, mit den Byrds aufgenommenes »Splendor in the Grass« verspricht mehr, als es hält. Kein Wunder, dass die Produzenten die Doors tontechnisch zusammenquetschen mussten, um sie durch die Türen ihrer Kompilation hindurchzubekommen.

    Byrds: »Turn! Turn! Turn!« (Columbia, 1965, # 1).

The End, 1968
    ALS JIM MORRISON SAGTE, dass ein Doors-Konzert eine Art öffentliche Zusammenkunft sei, schrieb man den 14. Dezember 1968, wenige Stunden bevor die Band vor 18000 Fans im L. A. Forum auftreten sollte. »Das war für uns eine Riesensache«, sagte Robby Krieger Jahre später. »Eine Band aus L. A. spielt da, wo sonst die Lakers spielen!«
    Ende 1968 waren die Doors eine Top-40-Band. Ihre letzten beiden Singles hatten es auf Platz eins beziehungsweise Platz drei der Charts geschafft – danach sollten sie allerdings nie wieder in die Top 10 vordringen. An diesem Abend wollten sie in erster Linie Songs von The Soft Parade präsentieren, ihrem vierten Album, das erst in gut sechs Monaten auf den Markt kommen sollte. Sie hatten ein Streichsextett und eine Bläsersektion dabei, und auf der Bühne waren insgesamt zweiunddreißig Verstärker aufgebaut. Das Vorprogramm bestritten der japanische Koto-Spieler Tzon Yen Luie, die süßlich-seichte, aus Los Angeles stammende Band Sweetwater und
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