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The Doors

The Doors

Titel: The Doors
Autoren: Greil Marcus
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Angeles Nuggets 1965–1968 , einem 2009 erschienenen 4- CD -Set mit Singles von Bands wie den Leaves (»Dr. Stone«, ihr Drogensong), den Standells (»Riot on Sunset Strip«), Sonny and Cher (»It’s Gonna Rain«), Captain Beefheart & the Magic Band (»Zig Zag Wanderer«) und Dutzenden anderen, hielten »Take It as It Comes« offenbar für konventionell genug, um es in ihren Set aufzunehmen – sie platzierten es zwischen »One Too Many Mornings« von den Association (ihre Dylan-Coverversion), »Time Waits for No One« von The Knack (nicht der sieben Jahre später herausgekommene Song der Rolling Stones und nicht die gleichnamige Gruppe aus den späten 1970er-Jahren), »Pulsating Dream« von Kaleidoscope (das seinem Titel unglücklicherweise gerecht zu werden versuchte) und »Tripmaker« von den Seeds (ihr Drogensong). Doch um die Doors in diesem Umfeld unterbringen zu können, mussten die Archivare den Sound der Aufnahme komprimieren, die Bässe abdämpfen und die Höhen aufdrehen, sie mussten den Sound, so wie bei all den anderen Nummern, blechern und klein machen, auf nervöse Weise lamentierend, doch das klappte nicht.
    So wie alles andere auf The Doors sprang einem »Take It as It Comes« groß und volltönend entgegen, als etwas, das aus eigener Kraft atmete. Im Gegensatz zu allem anderen schien es in der Mitte eines größeren Songs zu beginnen, und es legte gleich mit Vollgas los, so schnell, dass man sich nicht einmal umdrehen konnte, um zu sehen, wo der Song herkam. Auf dem Papier war es kaum mehr als eine radikal zusammengestrichene Version der hell strahlenden Interpretation von Pete Seegers »Turn! Turn! Turn! (To Everything There Is a Season«) – »A time to be born, a time to die« –, mit der die Byrds 1965 einen großartigen, unwiderstehlichen Nummer-eins-Hit gelandet hatten. Hätte jemand »Turn! Turn! Turn!« als eine Einleitung zu »Take It as It Comes« gespielt, so wäre es von der Version der Doors pulverisiert worden – seine Weite und sein Frohsinn hätten mit einem Mal heuchlerisch und übertrieben gewirkt. Wären die beiden Songs der Stingray und der XKE in Jan & Deans »Dead Man’s Curve« gewesen, so wäre von der schwarzen 45er der Byrds nichts weiter übrig geblieben als ein Ölfleck.
    Robby Krieger beginnt ebenfalls in der Mitte, der Mitte von »Turn! Turn! Turn!«, mit dem gleichen Leuchten, das die Byrds ihrem Sound verliehen, mit der gleichen lyrischen Intensität, dem Sinn für Leichtigkeit und Schönheit – Schönheit als eine Idee, ein Konzept, als etwas, was man eher zitiert als kreiert. Doch noch bevor man seine Geste richtig wahrnehmen kann, macht John Densmore sich mit Nachdruck bemerkbar, kommt krachend aus einer Kurve geschossen, dermaßen schnell, dass er die anderen mit sich reißt. In Windeseile ist der Refrain erreicht, und alles, was nun aus Kriegers Gitarre kommt, ist perkussiv, angriffslustig und im Einklang mit den hohen Orgelläufen, die Ray Manzarek durch den Song fließen lässt. Von diesem Punkt an hat jeder der Musiker den Song fest im Griff; sie können jederzeit mit ihm machen, was sie wollen.
    »Time to live, time to lie / Time to laugh, time to die«: Mit einer geradezu unheimlichen Gelassenheit – als mache er dies schon mindestens so lange wie Mick Jagger und als komme er erst jetzt in Schwung – singt Morrison darüber, dass es notwendig sei, nichts zu überstürzen, nichts zu forcieren, vorsichtig zu sein, sich zurückzuhalten, zu gehen statt zu rennen. Doch schon mit seiner ersten Zeile fliegt er davon, ein wahrer Ikarus-Sprung, und die Worte, die er singt, sind entweder ein Scherz oder eine Herausforderung, eine Warnung, mit der der Sänger dem Zuhörer signalisiert, er möge sich hüten, ihm auch nur ein Wort zu glauben. Don’t move too fast if you want your love to last , singt er, mit den Händen am Lenkrad, das Gaspedal voll durchgetreten und die Augen fest geschlossen.
    Zur Mitte des etwa zwei Minuten langen Songs zieht die Band sich zurück – wenn der Song vorbei ist, kann es einem jedoch so vorkommen, als habe er zwei- oder dreimal länger gedauert, da in dieser kurzen Zeit so unglaublich viel passiert. Verglichen mit der Kakofonie, die während der ersten Minute geherrscht hat, ist der Song nun fast still, nur Manzareks Bass-Keyboard hält weiter den Takt, und das Ganze wirkt nicht so, als bewege sich der Song langsam voran, sondern als verharre die Musik auf der Stelle. Das ist ein gebräuchliches musikalisches Stilmittel – der
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