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The Doors

The Doors

Titel: The Doors
Autoren: Greil Marcus
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die Refrains auf der Platte an, so ist das Wort »fire«, im Vergleich zu den beiden ersten Malen, beim dritten Mal brutal – »FY-YUR!« –, ein Fausthieb, etwas, was dich aufweckt, falls der Song dich bereits hat einschlafen lassen. Doch an diesem Abend belässt Morrison das Wort im ersten Refrain mehr oder weniger so, wie er es zu Beginn singt: Fire ... fiiire ... fiiiiire . Er hält das Wort ins Licht, um es von allen Seiten zu betrachten, aber auch, um es in der Luft schweben zu lassen. »Light my fire« war im September 1967 bereits ein Klischee, ein abgedroschenes Schlagwort; bin-nen eines Jahres sollte es auf einem Poster prangen, das ein Teenager-Pärchen beim Sex zeigte, es sollte ein weltweiter Easy-Listening-Hit von José Feliciano sein – und zwei Jahre später ein Pornofilm. An diesem Abend kommt einem das Wort »fire« zu Beginn des Songs mehr als eigenartig vor, nicht wie ein Wort, sondern eher wie ein Fotogramm à la Man Ray.
    Die Aufnahme, um die es hier geht, stammt von einem Bootleg – der Sound wirkt komprimiert. Robby Kriegers Gitarre und Ray Manzareks Orgel scheinen ein einziges Instrument zu sein. John Densmores Schlagzeugspiel ist jedoch immer klar definiert: Jeder Schlag klingt wie eine bewusst getroffene Entscheidung, wie etwas, das erledigt und abgehakt wird. Morrisons Stimme schwebt über der Band, auch dann, wenn es so scheint, als schreie er irgendwo im Hintergrund herum – um den anderen Dampf zu machen, als sei der Song, so wie er hier Gestalt annimmt, noch unfertig, noch nicht ganz er selbst –
    COME ON!
LET’S GO!
    – oder um zu demonstrieren, wie sehr er sich darüber freut, dass der Song nun er selbst ist und von allein atmet, als Manzarek einen Drive entwickelt, der ihn mitten in den Song katapultiert, in den Morrison ihn noch kurz zuvor hineinstoßen wollte –
    LET’S GO!
WE LOVE IT!
    – und dann entschwebt Morrison, als benötige die Musik ihn nicht mehr, als wisse sie nun von allein, was zu tun ist –
    In your night, babe
Evil hand
    Die ausgedehnten Instrumentalpassagen, bei denen Manzarek und Krieger einander abwechseln, sind für den Zuhörer schwer zu verfolgen. Es sind Mäander – das, was Manny Farber in den Disziplinen Malerei, Film und Jazz als »Termitenkunst« bezeichnet hat, eine Kunst, »die durch die Mauern der Partikularisierung dringt, ohne ein Anzeichen dafür, dass dem Künstler etwas anderes vorschwebt, als die unmittelbaren Grenzen seiner Kunst wegzufressen und diese Grenzen zum Ausgangspunkt seines nächsten Werks zu machen.« Es handelt sich um eine Kunst ohne Zweck, ohne Nachdenken, um eine Kunst, die auf Sehnsucht, Verlangen, Instinkt und plötzlicher Eingebung basiert und die nicht nur in Kreisen mäandert, sondern auch genauso problemlos Grenzen überschreitet und Gräben überspringt. An diesem Abend verlieren Manzarek und Krieger den Song, so als hätten die beiden vergessen, was sie da spielen. Einen Moment lang verschwindet »Light My Fire«, als sei der Song vorher noch nie öffentlich dargeboten worden, als sei er nie ein Hit gewesen, als sei er noch nie im Radio gelaufen. Wie es in den nächsten drei Jahren noch so häufig der Fall sein wird, geht »Light My Fire« in andere Songs über, die sich aus der vagen Erinnerung des Gitarristen oder des Organisten herausschälen und an die Stelle der Nummer treten, die sie noch eine Minute zuvor gespielt haben. Diesmal ist es »My Favorite Things«, eine Cool-Jazz-Sequenz in einer Performance, die nun nicht mehr Teil einer Rock-’n’-Roll-Show in Denver ist, sondern wieder in das Strandhaus in Venice zurückkehrt, wo der Song einst entstanden war, doch nun schreiben wir nicht das Jahr 1965, nein, wir befinden uns im Jahr 1954, und die Person, auf die alle Augen gerichtet sind, ist nicht mehr Jim Morrison, sondern Chet Baker.
    Sie verlieren den Beat, der Song entgleitet ihnen. Es fällt ihnen schwer, wieder zu den Strophen zurückzufinden. Sie stolpern über die Stufen, die zu der Fanfare führen, die den Song eröffnet und die den Song beschließt – die Fanfare, die Morrison signalisiert, dass er wieder in die Musik einsteigen muss, und die den Zuhörer darauf vorbereitet, dass gleich etwas passieren wird, die ihm bewusst macht, dass gerade etwas passiert ist.
    Man ist froh, wenn Morrison sich wieder zurückmeldet, wenn es wieder Worte gibt und jemanden, der sie attackiert, wenn es wieder einen Song gibt, der jeden Moment Gestalt annehmen kann – das ist, nach sieben Minuten und
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