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The Doors

The Doors

Titel: The Doors
Autoren: Greil Marcus
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auf dieselben zwei Top-40-Sender eingestellt, unter den Hochspannungsleitungen hindurch, hinab in dieses große, horizontlose Häusermeer ...«
    Pynchons Roman ist eine Liebeserklärung an eine Zeit und an einen Ort, die zu verschwinden drohen: Er handelt von der Angst, dass »die Psychedelischen Sechziger, diese kleine Parenthese aus Licht, ja vielleicht doch zu Ende gingen, dass sie spurlos verschwanden, in die Dunkelheit zurückgeholt wurden ... dass eine gewisse Hand unbarmherzig aus der Dunkelheit greifen und die Zeit wieder an sich nehmen könnte, und das ebenso mühelos, wie man einem Kiffer einen Joint abnimmt und ihn ein für alle Mal ausdrückt.«
    In Pynchons Geschichte geht es um einen Rock-’n’-Roll-Musiker, der angeblich an einer Überdosis Heroin gestorben ist, aber nun wieder in seiner alten Band auftaucht, ohne dass seine ehemaligen Bandkollegen wissen, wer er ist (»Die haben’s ja nicht mal gewusst, als ich noch am Leben war«), und es geht um einen womöglich entführten Immobilien-Tycoon, aber auch um eine rechtsradikale Schlägertruppe, die sich Kalifornien Erwache! nennt, um ein Verbrechersyndikat, das so mächtig und unangreifbar ist, dass die Erde schon bei der bloßen Erwähnung des Namens erbebt, um eine erste, primitive, in der Illegalität operierende Version des Internets und um eine Exfreundin – und Pynchon hat seine Geschichte in einer Zeit angesiedelt, in der bereits vom großen Hippie-Detektivroman die Rede war. Darin ging es, natürlich, um einen Drogendeal – und um eine Außenseiter-Version von Philip Marlowe oder Lou Archer. Roger L. Simons Privatdetektiv Moses Wine – der 1973 mit The Big Fix begann und dreißig Jahre später noch immer seinem Gewerbe nachging – war es nicht. 1971 spielte Hunter S. Thompson die Rolle in Fear and Loathing in Las Vegas ziemlich überzeugend, doch er löste sich schon bald in seiner eigenen Aura auf. Pynchons Doc Sportello wird dieser Fantasie irgendwie gerecht.
    Bei ihm handelt es sich um einen Typen, der auf die dreißig zugeht und in Gordita Beach lebt, einem Ort auf halbem Weg zwischen Hermosa Beach und El Segundo, allerdings nicht auf einer realen Landkarte. Sportello wäre gern John Garfield; er hat die gleiche Körpergröße. An seiner Wand hängt ein Samtbild, das er bei mexikanischen Straßenhändlern gekauft hat. »Es zeigte einen südkalifornischen Strand, wie es ihn nie gegeben hatte – Palmen, Bikinibräute, Surfbretter, das volle Programm.«
    Er betrachtete es als ein Fenster, durch das er hinausschauen konnte, wenn er nicht aus dem herkömmlichen Glasfenster im anderen Zimmer sehen mochte. Manchmal – normalerweise wenn er Gras rauchte – erhellte sich die Szenerie in der Abenddämmerung, als hätte jemand nur gerade so viel am Kontrastknopf der Schöpfung gefummelt, dass alles einen Unterschimmer, einen leuchtenden Rand bekam und die Nacht irgendwie episch zu werden versprach.
    Eine bessere Beschreibung von »L. A. Woman« ist mir bislang nicht untergekommen: Der Song verbreitet die Atmosphäre des normalen Lebens, und gleichzeitig wirkt alles an ihm ein wenig daneben, denn das Epische ist das, was er anstrebt, allerdings ohne sich dabei zu verkaufen, ohne Make-up, ohne coole Klamotten, ohne Fotosessions, ohne das übliche Drum und Dran des Hollywood-Glamours. Robby Kriegers Gitarre steht im Vordergrund der Musik, karg und locker, filigran und lässig, ernsthaft und gedankenschnell. Jim Morrison befindet sich im Hintergrund des Sounds, als verfolge er die Band auf der Straße, als schreie er ihr nach, dass er einen Song für sie habe, eine neue Art von Song, und den könnten sie spottbillig bekommen, der wäre genau das Richtige für sie – und man kann den Morrison sehen, der den Song singt, einen Typen, der 1970 wie ein Penner aussah, mit einem dichten, verfilzten Vollbart, einer über den Gürtel quellenden Wampe und speckigen Klamotten. Die Stimme ist gebrochen, rau, aber auch von einer ansteckenden, verrückten Überschwänglichkeit erfüllt, einer Freude darüber, draußen auf der Straße zu sein, in der Sonne, unter dem nächtlichen Neonlicht, Blade Runner mit Charles Bukowski statt Harrison Ford in der Hauptrolle – und dieser Penner schlurft nicht die Straße entlang, nein, er rennt, er hält inne, er wirbelt auf dem Absatz herum, hastet den Weg zurück, auf dem er gekommen ist. Die Stadt mag ihn nicht wahrnehmen wollen, doch er liebt die Stadt, und das ist die Geschichte, die er erzählen muss. Er ist nicht
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