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The Doors

The Doors

Titel: The Doors
Autoren: Greil Marcus
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betritt, so als habe er nicht beabsichtigt, sich dort blicken zu lassen, aber als sei er gewillt, das Beste daraus zu machen. »Nun«, sagt er, so wie ein Freund, dem man zufällig auf der Straße begegnet, ohne Attitüde, ohne Pose, »ich bin vor knapp einer Stunde in der Stadt angekommen« – was gibt’s Neues?
    »L. A. Woman«, L. A. Woman (Elektra, 1971). Das erste und einzige Album der Doors, das nicht von Paul Rothchild produziert wurde, der das Handtuch geworfen hatte. Ihr neuer Produzent, Bruce Botnick, der bei ihren früheren Alben als Toningenieur fungiert hatte, gewährte der Band im Studio eine Freiheit – eine stinknormale, alltägliche Atmosphäre –, die die Musiker bereitwillig nutzten.

    –, State Fair Music Hall, Dallas, 11. Dezember 1970, auf Boot Yer Butt! The Doors Bootlegs (Rhino Handmade, 2003).

    Thomas Pynchon: Inherent Vice , Penguin Press, New York 2009. Hier zitiert nach Natürliche Mängel , aus dem Englischen von Nikolaus Stingl, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 2012, S. 30, 330, 114, 13 f., 270 f., 394, 232, 146, 133, 425, 111, 455, 407. [Die zitierten Passagen wurden nicht alle wörtlich übernommen, sondern hier und da enger an den Wortlaut des amerikanischen Originals angepasst (A. d. Ü.)].

    Don DeLillo: Great Jones Street , Houghton Mifflin, Boston 1973, S. 231f.

Mystery Train
    NACHDEM DIE DOORS am 2. Mai 1970 in Pittsburgh eine makellose, siebenminütige Version von »Roadhouse Blues« hingelegt hatten – eine Chevrolet Corvette, die immer wieder vom ersten in den fünften Gang hinaufschaltet, nur um zu demonstrieren, wie geschmeidig ihr Getriebe ist –, hielten die Musiker inne, und Morrison verschnaufte kurz. Dann intonierte er die Zeile »People get ready« und hielt die Nightclubgospel-Hymne der Impressions empor wie eine Startflagge – »People get ready / For that train to glory« –, doch das war nicht der Zug, mit dem die Gruppe kurz darauf den Bahnhof verlassen sollte.
    Es dauerte geschlagene drei Minuten, bis sich »Mystery Train« schließlich so weit entwickelt hatte, dass Morrison aufspringen konnte – drei Minuten, in denen die Gitarre mit einem schrappenden Klickklack das rhythmische Geräusch einer Fahrt aufnehmenden Lokomotive nachempfand und die Orgel zunehmend schneller wurde, drei Minuten, in denen Bäume, Flüsse und Ladenzeilen an einem vorüberhuschten, während man aus dem Fenster schaute. Morrison sprang genau zum richtigen Zeitpunkt auf, doch die Musik benötigte ihn gar nicht: Sie glitt frei und locker dahin, nahm ihre eigene Gestalt an. Morrison sang eine Zeit lang, wobei sich der Rhythmus mühsam an seine derbe, geifernde Stimme anpasste, bis alles auseinanderzufallen drohte, doch dann überließ er den Song wieder der Band, nur um wenig später erneut in ihn einzusteigen, bevor er ihn abermals von sich schleuderte.
    »Mystery Train« ging weiter, zehn, zwölf, am Ende beinahe fünfzehn Minuten lang, und nahm dabei neue Titel an – »Away in India«, »Crossroads Blues« –, obwohl es stets derselbe Song war, ein einziger Versuch, irgendwo hinzugelangen, zu entkommen, eine Grenze zu überqueren. Als der Song in seine siebte Minute hineinsteuerte, schien er ein eigenes Bewusstsein entwickelt zu haben: Man kann hören, wie er über sich selbst nachdenkt, wie die Räder die Schienen spüren, wie die Lokomotive sich fragt, ob es gerecht sei, eine Maschine an eine Straße aus Eisen zu fesseln, und wie die Maschine dann eine Leichtigkeit erreicht, eine Schwerelosigkeit, die die Schienen verschwinden lässt.
    Als Morrison wieder in den Song einstieg, blieb von alldem nichts mehr übrig – es wurde unter schwülstigen Vokalen und amorphen Wörtern begraben. Die Band findet dennoch zu dem Groove zurück, den sie eingangs entwickelt hatte, zu jenem rhythmischen Schrappen, aber Morrison ruiniert das Ganze erneut, indem er kurze Zitate aus Bluessongs aus dem Fenster wirft, die er schon im gleichen Moment wieder vergisst. Zitiert man Blueszeilen aus dem Stegreif, ohne groß darüber nachzudenken, so kann man das bis in alle Ewigkeit tun – sie sind dann aber nichts weiter als benutzte Fahrkarten und genauso viel wert.
    Zur Mitte der Sechzigerjahre, als sich die Doors formierten, als »Mystery Train« erstmals in ihrem Repertoire auftauchte, da war Elvis Presley ein Witz. Der schockierende, in schwarzes Leder gekleidete Blues, den er 1968 bei seinem Comeback-Special landesweit im Fernsehen heraufbeschwor, war unvorstellbar nach all den
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