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The Doors

The Doors

Titel: The Doors
Autoren: Greil Marcus
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blind. »Motel money, murder madness«, grübelt er vor sich hin; auch wenn sie ihn keines Blickes würdigen, kann er in den Augen der Leute, die an ihm vorübergehen, die Angst wahrnehmen, die die Manson-Bande hinterlassen hat, aber er fürchtet sich nicht, denn er weiß, er ist nicht der Killer, vor dem sich die anderen fürchten. Der ganze Song ist eine aus Fragmenten zusammengesetzte Verfolgungsjagd. Der Gitarrist malt Halbkreise in die Luft, der Sänger tänzelt im Kreis um ihn herum, der Gitarrist sieht ihn nicht, und den Sänger kümmert das nicht.
    In Inherent Vice verwendet Pynchon, wie es sich gehört, die üblichen Versatzstücke aus Detektivromanen wie Raymond Chandlers The Little Sister oder Ross Macdonalds The Chill – der Besuch in der hochherrschaftlichen Villa, der Held, wie er, mit Drogen vollgepumpt, in einem verschlossenen Raum aufwacht. Das Neue an Inherent Vice besteht darin, dass Pynchon die Ökonomie der Hippie-Utopie als ein System beschreibt, das ganz und gar auf dem Heroinhandel basiert – ein Verdacht, der den Leser auf den ersten Seiten des Romans beschleicht und der auf den letzten sechzig Seiten zur Gewissheit wird. Das Novum für das Genre des Detektivromans ist Sportello selbst, ein ehemaliger Fahnder nach untergetauchten Schuldnern, der in die Liga der lizenzierten Privatdetektive – Abteilung »Strandpenner« – aufgestiegen ist. Und ebenso neu ist Sportellos Nemesis, Bigfoot Bjornson, der unglaublich manipulative Detective von der Mordkommission des LAPD , eine Gestalt, die einem Roman von H. P. Lovecraft entstiegen sein könnte. »Es ist so«, sagt Bjornson, »als gäbe es diesen bösen Untergott, der über Südkalifornien herrscht. Und der erwacht ab und zu aus seinem Schlummer und erlaubt den dunklen Kräften, die immer knapp außerhalb des Sonnenlichts liegen, hervorzukommen ... Lebewohl, Schwarze Dahlie, ruhe in Frieden, Tom Ince, ja, ich fürchte, die guten alten rätselhaften Morde von >L. A. gehören endgültig der Vergangenheit an. Wir haben das Tor zur Hölle gefunden, und der durchschnittliche Bürger von L. A. muss sich da natürlich hindurchquetschen, geil und kichernd wie immer, auf der Suche nach dem neuesten Nervenkitzel. Dürfte jede Menge Überstunden für mich und die Jungs bedeuten, aber es bringt uns dem Ende der Welt ein ganzes Stück näher« – und man kann beinahe die Manson-Jüngerin Squeaky Fromme sehen, ganz zu schweigen von vier oder fünf vorausgegangenen Generationen südkalifornischer Mystiker und Geistheiler, die auf Bjornsons Schulter sitzen und allesamt wie Natalie Wood lächeln.
    Mansons Schatten ist allgegenwärtig – sei es in der Szene, in der sich Sportello und ein militanter Schwarzer darüber streiten, wer schärfer sei, Fromme oder Leslie van Houten (»Unterwürfige, einer Gehirnwäsche unterzogene, geile kleine Teenies«, sagt Sportellos Exfreundin Shasta Hepworth, »die genau das tun, was du willst, bevor du überhaupt weißt, was du willst ... Auf solche Bräute fährst du ab, Doc, heißt’s von dir«), oder in der Szene, in der Sportello und drei andere Leute im Auto unterwegs sind und ohne ersichtlichen Grund von der Polizei gestoppt werden. »Neues Programm«, sagt einer der Cops, »Sie wissen ja, wie das ist – ein weiterer Vorwand für Papierkram. Es nennt sich ›Cultwatch‹: Jede Zusammenkunft von drei oder mehr Zivilpersonen gilt neuerdings als eine potenzielle Sekte.« Es ist ein Scherz, den die Leute machen, weil die Pointe mehr oder weniger zu ihrem Alltag gehört – bis die Manson-Sache so unglaubliche Dimensionen annimmt, dass niemand auf die Idee kommt, hinter diese Story zu schauen, in einen, wie es bei Pynchon heißt, »Wirbel zersetzter Geschichte« oder, wie Don DeLillo es in Great Jones Street nannte, einem Roman, der etwa zur gleichen Zeit spielt wie der von Pynchon, in den »wahren Underground«, wo Präsidenten und Premierminister »die Undergroundentscheidungen treffen und die wahre Undergroundsprache sprechen«, wo »die Gesetze gebrochen werden, ganz tief unten, weit unterhalb der Ebene der Speed-Freaks und der Dealer, die das Heroin verschneiden«.
    In Rahmen dieses bunten Kaleidoskops kann Pynchon uns eine Strandkneipe vorsetzen, in der sich die Gäste auf überzeugende Weise über »die zwei verschiedenen ›Wipe Out‹-Singles streiten« können, das heißt, über die Frage, »auf welchem Label, Dot oder Decca, das Lachen drauf war und auf welchem nicht«. Und er kann die Schilderung einer
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