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The Doors

The Doors

Titel: The Doors
Autoren: Greil Marcus
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eine Landkarte unserer Musik«, sagte Jim Morrison 1967 über The Doors , und damit hatte er recht, denn auf Schallplatte kamen sie nie über die Landkarte hinaus; die auf Boot Yer Butt! versammelten Live-Performances sind das Territorium.
    Der Set beginnt mit »Moonlight Drive« und der von der Band einstudierten Coverversion von Howlin’ Wolfs »Back Door Man«, und er endet fast vier Jahre später, und dieser sich einen endlosen Strand hinunterwindende Fußmarsch – man kann Leute mit unhandlichen Tonbandgeräten und an angelförmigen Stangen befestigten Mikrofonen sehen, wie sie den vier durch den Sand stapfenden Mitgliedern der Doors folgen und deren Bootleg-Mission darin besteht, sich nicht einen Seufzer oder Fluch der Band entgehen zu lassen – wird nicht von Soundboard-Aufnahmen oder passablen Mitschnitten aus dem Publikum dokumentiert. Nein, das Ganze ist eine Zusammenstellung von wirklich schauderhaften Aufnahmen, die mit defektem Equipment gemacht und ursprünglich auf minderwertiges Vinyl gepresst wurden, das zersprang oder sich wellte, sobald man die Platte abzuspielen versuchte. Auf diesen Aufnahmen kann Morrison sich so anhören, als sei er kilometerweit von den kleinen Handmikrofonen entfernt, die seine Botschaften auffangen, Botschaften, die mitunter den Einddruck erwecken, als kämen sie aus einem tiefen Brunnenschacht. Es kann vorkommen, dass man keines der Instrumente hinter seiner Stimme zu erkennen vermag oder, noch irritierender, dass man bloß ein einziges Instrument hört. Die Band kann auftauchen und verschwinden, als sei das Ganze kein Konzert, sondern eine Séance. Man kann sich den kompletten Set von A bis Z anhören, die gut vierzig Performances, die dort zusammengestellt oder, genauer gesagt, aneinandergeklatscht worden sind und anschließend gleich wieder von vorn anfangen, gebannt von seinem unwirklichen, körperlosen Zauber, und ein Teil dieses Zaubers besteht in dem Drama, das sich nach und nach herauskristallisiert: das Drama einer Band, die sich mit ihrem Publikum im Krieg befindet.
    Zu Anfang hört man Entdeckung und Umarmung: ein Publikum, das eine Band umarmt, und eine Band, die ihr Publikum umarmt, aber vor allem eine Band, die ihre eigene Musik entdeckt und umarmt, eine Band, die Anspruch auf eine Musik erhebt, die ihr, rein rechtlich gesehen, gehören mochte, aber womöglich noch außerhalb ihrer Reichweite lag, etwas, was der Band offenbar klar war. Die Art und Weise, wie die Doors am 9. Juli 1967 im Continental Ballroom in Santa Clara, Kalifornien, ihren Weg in »Break on Through« finden – wie sie durch den Song hindurchbrechen –, ist ein Sturmangriff. Hunderte von Soldaten erklimmen die Stufen zu einer einstmals uneinnehmbaren Festung und brennen diese von innen bis auf die Grundmauern nieder – aber erst nachdem sie kurz pausiert und die Wunder dieses Bauwerks bestaunt haben: die gewaltigen, scheinbar frei in der Luft schwebenden Deckengewölbe, die meterdicken Mauern, die Marmorfußböden, die Wasserspeier an den Traufen. Sie tanzen im Kreis herum, und dann, als die Flammen hoch aufzulodern beginnen, tanzen sie noch schneller. »Keiner kommt hier lebend raus«, sollte Morrison ein Jahr später in dem platten Waiting for the Sun -Track »Five to One« verkünden, doch diese Performance sieht das als selbstverständlich an und sagt: Na und? Wer würde das schon wollen?
    Einige Monate später, am 16. Dezember, im Swing Auditorium in San Bernardino, taumelt Morrison durch »Alabama Song«, er hat Schwierigkeiten mit dem Text, und der Song schlängelt sich angewidert von ihm fort. Die Konzerte werden unberechenbar. Den von »Light My Fire« angelockten Fans sind die anderen Songs im Repertoire der Band mehr oder weniger schnuppe, und häufig sind diese Leute so betrunken oder so stoned, dass sie andere Darbietungen als eine Beleidigung empfinden, als einen Affront oder bestenfalls als etwas, das sie notgedrungen in Kauf nehmen, um irgendwann den Song hören zu können, um dessentwillen sie gekommen sind, und so ist es nicht verwunderlich, dass sich in den Hallen eine gewisse Verachtung breitmacht, wobei nicht eindeutig zu bestimmen ist, wo diese herkommt.
    Morrison griff nach den Sternen. Eine am 26. Dezember im Winterland in San Francisco präsentierte Version von Bo Diddleys »I’m a Man« ist ausladend, offen, überschäumend. Morrison und die Band steigen in lange, langsame Improvisationen ein, ausgehend von einer im Singsang vorgetragenen Rede, in der es darum
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