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TTB 117: Lichter des Grauens

TTB 117: Lichter des Grauens

Titel: TTB 117: Lichter des Grauens
Autoren: Hans Kneifel
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»Der Ozean ist sehr groß, und ein Boot ist klein und schwer zu sehen«, sagte der alte Mann. Er bemerkte, wie angenehm es war, jemand zum Unterhalten zu haben, anstatt nur mit sich selbst und der See zu reden.
    Ernest Hemingway
     
    Er war bereits tot – obwohl er es noch nicht wußte.
    Das Zählwerk einer furchtbaren Bombe tickte seit langer Zeit in ihm; es war nur eine Frage der Zeit, wann die Detonation erfolgen würde. Dieser Explosionsdonner würde laut sein – er würde sowohl auf dem Planeten des Alphard gehört werden als auch auf Terra und auch auf Alpha im südlichen Dreieck.
    Rafael Escobar liebte die Ruhe, das Schweigen und das Dunkel vor ihm; er liebte das Weltall. Der Raum zwischen den Sternen war seine zweite Heimat. Und jede Minute, die Rafael in der Schwärze des Alls verbrachte, war ein Tropfen in einer Schale. Neurosen brauchen sehr lange Zeit, um sich aufzubauen.
    Vor neun Tagen war das Schiff CATALUÑA von Terra gestartet. Der silberne Riesenpfeil bohrte sich in den dunklen Bezirk zwischen Terra und Capitan Tejedor , dem vierten Planeten des Alphard. Seit zweihundertsechzehn Stunden befand sich Rafael im Weltraum, dessen physikalische Geheimnisse er kannte wie selten ein Mensch. Er betrachtete den Raum mit einer Mischung aus Stolz, Arroganz und heimlicher Haßliebe. Diese Gefühle waren es, die ihn zu einem fähigen, mutigen und besonnenen Piloten machten. Es gab außer Rafael noch fünfhundertsiebzehn Piloten, über die Terra verfügte.
    »Kein Mensch ist einsamer als ich«, sagte Escobar halblaut vor sich hin.
    Wieder fiel ein Tropfen in die Schale.
    »Nein«, sagte Rafael etwas lauter. Er schüttelte den Kopf.
    Um den Sessel des Piloten schwang sich wie eine gläserne Mauer das Halbrund des Steuerpults. Auf den in verschiedenen Winkeln abgeschrägten Flächen leuchteten und glühten über vierhundert Anzeigen. Es waren Lämpchen, Skalen aller Farben, huschende Schlangenlinien auf Oszillatorschirmen und selbstleuchtende Schalter und Tasten; alles in einem sinnvollen Muster angeordnet. Rafaels Gedanken huschten hinunter in den Laderaum des Schiffes. Dort befanden sich sieben Röhren; siebzig Zentimeter Durchmesser und zweihundert Zentimeter Länge, angefüllt mit schlafendem Leben. Ein Pionier und drei Siedlerehepaare, vollgepumpt mit Narkotika und künstlich ernährt während der fünfzehn Tage des überlichtschnellen Fluges. Erst nach sechs Tagen würden sich die Röhren öffnen lassen.
    »Selbstverständlich bin ich nicht allein!« sagte Rafael und griff nach den schwarzen Zigaretten, die in einer aufgerissenen Packung zwischen zwei Uhren auf dem Pult lagen.
    Das Schiff war ruhig. Wie eine Gruft, dachte Escobar, oder wie eine der alten Kirchen, in denen einen stets ein Gefühl packte, das unbestimmbar war und rätselhaft. Klick! Wieder fiel ein Tropfen.
    Rafael mochte keine Musik hören. Noch interessierte ihn im Augenblick sein Buch, das in dem Lesegerät eingespannt war. Er dachte nach. Das Schiff mit dem spanischen Namen raste durch den Pararaum. Sein Ziel war der Planet, den man nach dem Entdecker benannt hatte: vierte Welt des Alphard, des Kopfsterns der Hydra – der Wasserschlange. Vor siebzig Jahren hatte Capitan Tejedor mit seiner Kartographenmannschaft den Planeten entdeckt, und der Mensch siedelte sich dort an. Nicht ganz einhunderttausend Siedler lebten heute dort. In wenigen Tagen würden es sieben Siedler mehr sein.
    Metallisches Zirpen kam aus einem Lautsprecher. Die Hand des Piloten tauchte aus dem Dunkel auf, griff nach einem Schalter und bewegte ihn. Die Leuchtmarke einer Skala sank auf den früheren Wert zurück. Tief unten im Schiff wurde der Richtstrahler eingeschwenkt und gedrosselt; die Kurskorrektur, die seit sieben Stunden lief, war erfolgt.
    Rafael merkte, daß seine Zigarette nicht mehr brannte. Er ließ das Feuerzeug aufschnappen; eine Sekunde lang beleuchtete die steile Flamme das Gesicht. Escobar sah sich im Spiegel eines abgeschalteten Kontrollschirms. Der Kopf eines sechsunddreißigjährigen Mannes mit dunklen Augen. Klassische Schönheit und Arroganz vereinten sich zu dem Ausdruck, den man an Adeligen und Piloten kannte. Es war nicht das Gesicht eines Mannes, der sich fürchtet.
    »Unsinn – natürlich fürchte ich mich nicht«, brummte Escobar verdrossen.
    Klick – ein weiterer Tropfen.
    Die Fracht war lebensnotwendig für Tejedor. Alle jene Dinge, auf die der Mensch nicht verzichten konnte, lagerten in Kisten und Fässern. Werkzeuge, Maschinen, Waffen,
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