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The Doors

The Doors

Titel: The Doors
Autoren: Greil Marcus
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Jerry Lee Lewis. Alle wurden sie ausgebuht, als wären sie irgendwelche Hochstapler. »Ich hoffe, ihr kriegt einen Herzanfall!«, raunzte Jerry Lee das Publikum an. Als die Doors auf die Bühne kamen, wurden sie begeistert empfangen, doch binnen Kurzem übertönte das Publikum die Musik mit seinen Schreien nach »Light My Fire« – das die Band diesmal auf gar keinen Fall zu spielen gedachte. Doch da sie mit ihrer neuen Musik beim Publikum nicht landen konnten, lenkten sie schließlich ein – und sobald sie den Song beendet hatten, schrie die Menge erneut nach »Light My Fire«. »Kommt, lasst den Scheiß«, sagte Jim Morrison. Er blickte in die Menge und stellte eine Frage, so als wollte er die Antwort tatsächlich wissen, als hätte er keinen Schimmer, wie sie lauten würde: »Was macht ihr alle hier?« Er begann, das Publikum mit den gleichen Bemerkungen zu provozieren, die drei Monate später den Eklat bei dem Konzert im Dinner Key Auditorium in Miami einleiten sollten. »Ihr wollt Musik?« Die Menge schrie und tobte. »Okay, Leute«, sagte er, »wir können die ganze Nacht Musik machen, doch das ist nicht das, was ihr wirklich wollt, oder? Ihr wollt mehr, ihr wollt etwas, das größer ist als alles, was ihr bisher gesehen habt, richtig?« In Miami, in einem Zustand betrunkener Raserei, sollten diese Worte plötzlich darauf hinauslaufen, dass er dem Publikum seinen Penis zeigen würde – dass dieser, wenn auch nur symbolisch, weil es sich um seinen handelte, größer wäre als alles, was die Leute bis dahin gesehen hatten. In Los Angeles schwebten die Worte einfach in der Luft, und dann schrie jemand: »Wir wollen Mick Jagger!«
    Nach einer kurzen Unterbrechung trat Morrison an den Bühnenrand und begann, »The Celebration of the Lizard« zu deklamieren. Er hielt inne. Die Leute lachten. Er fuhr fort: »One morning he awoke in a green hotel. With a strange creature groaning beside him.« »Is everybody in?«, fragte er, einmal, und dann noch zwei weitere Male, und die Leute brüllten daraufhin jedes Mal: » NOOOOOO! «. »The ceremony is about to begin«, sagte er theatralisch – versuchen Sie einmal, diesen Satz auf eine andere Weise zu sagen –, und die Leute lachten lauthals angesichts der Schwülstigkeit des Ganzen, oder sie kicherten peinlich berührt. Dann verstummte Morrison. Es wurde weiter gelacht und gekichert. »Blödmann«, murmelt jemand. »Arschloch!«
    » WAKE UP! «, schrie Morrison aus voller Lunge. Die Band entfesselte dazu ein lärmendes Getöse. Nach vielen endlos scheinenden Minuten war die Performance beendet. »Zum Schluss starrt er mit funkelnden Augen ins Publikum«, hieß es seinerzeit in einem Zeitungsbericht, »ein Blick, der mehr sagt als tausend Worte, und als er die Bühne verlässt, hält sich der Beifall in Grenzen.« »Wenn du den Leuten gibst, was sie haben wollen, oder das, von dem sie glauben, dass sie es haben wollen, dann bist du für sie der Größte«, sollte er im darauffolgenden Jahr rückblickend und voller Klarsicht sagen. »Aber wenn du für sie zu schnell bist und etwas Unerwartetes machst, dann verwirrst du sie. Wenn sie zu einer Musikveranstaltung gehen, zu einem Konzert, zu einer Theateraufführung oder zu was auch immer, dann wollen sie angetörnt werden, dann wollen sie sich so fühlen, als seien sie auf einem Trip, als erlebten sie etwas Außergewöhnliches. Doch wenn du ihnen nicht das Gefühl gibst, dass sie auf einem Trip sind und dass sie alle zusammengehören, und wenn du ihnen stattdessen einen Spiegel vorhältst und ihnen zeigst, wie sie tatsächlich sind, was sie wirklich wollen, wenn du ihnen zeigst, dass sie in Wahrheit allein sind und dass sie nicht alle zusammengehören, dann sind sie empört und verwirrt. Und entsprechend werden sie sich verhalten.«
    Es war eine mitunter unerträgliche, zuweilen verwirrende und streckenweise lebendige Performance, bei der die Band atonal auf ihre Instrumente eindrosch und jeglichen Rhythmus verweigerte, während Morrison sang, rezitierte, schrie und flüsterte – und auf Boot Yer Butt! , einem eigenartigen 4- CD -Set, den die übrig gebliebenen Doors 2003 veröffentlichten, ist es nur ein weiterer gespenstischer, fast schon illusionärer Moment in einer tagtraumartigen Übersicht über die Karriere der Band – von ihren ersten Liveaufnahmen, von einer Show im Avalon Ballroom in San Francisco im März 1967 bis zu ihrem vorletzten Konzert, das sie am 11. Dezember 1970 in Dallas gaben. »Unser Album ist bloß
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