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Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall

Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall

Titel: Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall
Autoren: Gmeiner-Verlag
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müssen ihn aufhalten, die Frau … « Er bäumte sich auf und fiel nach hinten in das Kissen zurück.
    »Wo? Sagen Sie wo?« Kaltenbach war verzweifelt. Sutter hatte wieder die Augen geschlossen und atmete kaum noch. Hektisch drückte er den roten Schwesternknopf neben dem Bett, als er sah, dass Sutter noch einmal mühsam die Lippen bewegte. Er beugte sich tief zu ihm hinunter und legte sein Ohr an seine Lippen.
    »Belchen … «

Mittwoch, 21. März, morgens
     
    Kaltenbach hastete durch den aufziehenden Morgen. Die alte Belchenstraße wand sich in weiten Kurven durch den Wald und wurde nach oben hin deutlich steiler. Er keuchte, doch er durfte sich keine Pause erlauben. Er hatte bereits zwei Fehler begangen, jede weitere Verzögerung konnte das Schlimmste bedeuten.
    Nach dem zweiten Besuch bei Sutter war er von Schopfheim aus durch das kleine Wiesental hoch nach Neuenweg gefahren. Bis in die Dunkelheit hinein war er auf der Suche nach Luise das Gelände hinter dem Sutterhof abgelaufen, danach hatte er vergebens die umliegenden Höfe abgeklappert. Die Wirtin in der Pension ›Belchenblick‹ hatte ihn misstrauisch beäugt, als er spätabends bei ihr aufgekreuzt war und ein Zimmer gebucht hatte. Freimütig gestand er ihr, dass er früh hoch zum Belchen wolle, um den Sonnenaufgang zu beobachten.
    »Gehören Sie auch zu denen?«, hatte sie in einer Mischung aus Abschätzigkeit und Neugier gefragt. Trotzdem war sie am Morgen mit ihm aufgestanden, hatte Kaffee gekocht und ein kleines Frühstück hingestellt.
    »Sie wissen schon, dass Sie von hier aus nicht hochfahren können?«, sagte sie beiläufig. Mit einem Schrecken war er aufgesprungen, hatte sich ins Auto gesetzt und war hinüber nach Schönau und von dort aus den Belchen hoch gefahren. Den zweiten Schrecken bekam er, als er vor der verschlossenen Schranke hinter dem Sessellift stand, die die alte Fahrstraße seit Jahren für den Privatverkehr sperrte. Dass er das vergessen hatte! Da der Gondellift erst ab 8 Uhr in Betrieb ging, hatte er sich zu Fuß auf den Weg gemacht.
    Kaltenbach musste stehen bleiben und durchschnaufen. Verzweiflung machte sich in ihm breit. Den Zeitverlust konnte er nicht mehr aufholen. Es war zu spät für den Sonnenaufgang. Zu spät für das Opfer des Verrückten. Zu spät für Luise.
    Er sah auf die Uhr, es war kurz nach sechs. Nach dem Kalender, den ihm die Zimmerwirtin gegeben hatte, war der Sonnenaufgang heute um 6.28 Uhr. In der Zeit war es unmöglich, auf den Gipfel zu gelangen und Luise zu finden.
    Die umliegenden Schwarzwaldberge waren bereits von dem zarten Rot überzogen, das die antiken Griechen der Göttin Eos zuschrieben, der Rosenfingrigen. Die Bergseite, an der die Straße hochführte, lag noch im Schatten, doch Kaltenbach konnte beobachten, wie sich der Morgen Meter um Meter um ihn herum ausbreitete.
    Er durfte nicht aufgeben.
    Nach weiteren zehn Minuten erreichte er mit brennenden Oberschenkeln das kleine Plateau unterhalb des Gipfels. Hier war die Endstation der Seilbahn, und hier stand das ›Belchenhaus‹, das höchstgelegene Gasthaus im Schwarzwald. Davor breitete sich als weite Schneefläche der ehemalige Parkplatz aus.
    Kaltenbach traute seinen Augen nicht. Er war keineswegs der Einzige, der sich an diesem frühen Märzmorgen den Berg als Ziel ausgesucht hatte. Auf dem Vorplatz des Belchenhauses drängten sich etwa 30 bis 40 Menschen, sämtlich dick eingemummt in Anoraks, Wintermäntel und Ballonjacken. Die meisten hatten Ferngläser und Kameras dabei, viele hielten Fotohandys in die Luft. Alle hatten den Blick nach Osten gewandt, wo in diesem Augenblick die ersten Sonnenstrahlen über den Bergkämmen aufleuchteten.
    Auf der Terrasse, vor dem Kiosk und überall verstreut im Schnee standen die Menschen in kleinen Gruppen zusammen. Vereinzelt flackerten kleine Feuerchen.
    Kaltenbach war sprachlos und verzweifelt. Unmöglich würde Blaschke unter diesen Menschenmassen sein Ritual durchführen. Er musste zum Gipfel, wenn er noch etwas retten wollte.
    Er hastete weiter. Hinter dem Kiosk gabelte sich der Weg und führte nach oben. Er entschied sich für die Westseite. Hier war kein Mensch zu sehen. Dank unzähliger Fußspuren war der Pfad trotzdem gut zu begehen.
    Als er die letzte Biegung vor dem Gipfel erreichte, hörte er von Weitem ein Geräusch, das wie Beifall klang. Die Strahlen der aufgehenden Sonne hatten in diesem Moment die Wartenden vor dem Belchenhaus erreicht. Der Gipfel des Berges war bereits ganz in
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