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Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall

Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall

Titel: Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall
Autoren: Gmeiner-Verlag
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sich zu Kaltenbach um und hakte sich bei ihm ein.
    »Lass uns gehen«, lächelte sie und wischte sich eine blonde Lockensträhne aus der Stirn. Ihre Augen funkelten unternehmungslustig. »Hast du Lust auf ein Eis bei ›Saviane‹?«
    Kaltenbach nickte. Nach ein paar Schritten waren sie auf dem breiten Weg, der abwärts zur Friedhofskapelle führte. Der Bergfriedhof zeigte sich in den letzten Märztagen von seiner besten Seite. Überall sprossen Blumen aus dem Boden. Büsche und Bäume waren überzogen mit zartem Grün. Zwischen den Grabsteinen huschten Amseln und freche Spatzen hin und her.
    »Warum hast du ausgerechnet eine Lilie ausgesucht?«, fragte Kaltenbach, nachdem sie eine Weile schweigend die Nähe des anderen gespürt hatten.
    »Gerechtigkeit. Von Anfang an wusste ich, dass es nicht stimmen konnte, was alle vermuteten. Die Lilie ist das Zeichen der Unschuld. Schau dir die Bilder von Mariä Verkündigung an.«
    Kaltenbach hatte die christlichen Symbolbilder der alten Meister bisher eher mit beiläufigem Interesse betrachtet. Doch er erinnerte sich und nickte. »Sind Gerechtigkeit, Recht und Rache nicht ganz ähnlich klingende Worte?«
    »Ich wollte keine Rache. An deiner Stelle hätte ich auf dem Belchen genau so gehandelt.«
    Sie verließen den Friedhof durch das Haupttor und bogen auf den Weg ein, der in schmalen Stufen hinunter zum Stadtgarten führte. Auch dort gab es überall die Boten des Frühlings. Die Rosen trieben kräftig, die Blütenrabatte lockten die Bienen. Vom nahe gelegenen Kindergarten drang fröhliches Geschrei herüber.
    »Letztlich war es ein Mord aus Versehen«, meinte Kaltenbach nachdenklich. Sie liefen die schnurgerade Platanenallee entlang in Richtung Stadtkirche. »Genau das hat mich bis zum Schluss gestört. Es gab kein Motiv.«
    »Ein Verbrechen war es trotzdem. Nicht aus Versehen, eher ungeplant. Blaschke hatte nicht damit gerechnet, dass ihn in jener Nacht jemand stören würde. Er hat dann rasch entschieden, und sich die Situation zunutze gemacht. Mit dem Tod Peters erhielt sein Opfer eine ungeahnte Steigerung.«
    Auf dem Schlossplatz blieben sie einen Moment stehen. Die Stühle waren fast alle besetzt. Auch auf der Begrenzungsmauer saßen die Sonnenhungrigen und hielten ihr Gesicht in den Frühling. Ein kleines Mädchen rannte glücklich einer Schar Tauben hinterher.
    »Sutter hatte recht. Mit dem Menschenopfer hatte er eine Grenze überschritten«, meinte Kaltenbach. »Außerdem hat er von Anfang an gewusst, wer du bist. Er hat dich bei der Beerdigung gesehen und wiedererkannt, als wir zum ersten Mal auf dem Sonnenhof waren. Von da an warst du in Gefahr.«
    Das Mädchen klatschte in die Hände. Die Tauben erhoben sich gleichzeitig und flogen einen eleganten Schwung bis auf das Dach des Lenzhäuschens.
    »Genug jetzt!« Luise stieß ihn aufmunternd in die Seite. »Ich habe Lust auf Eis. Mit oder ohne Sahne?«
    »Schwarzwaldbecher.«
     
    Am späten Nachmittag war Kaltenbach zurück in Maleck. Vom Friedhof herunter kam Herr Gutjahr von seinem zweiten Tagesspaziergang zurück.
    »Sali!«
    »Sali.«
    »Wie goht’s?«
    »’s goht.«
    Kaltenbach stieg die Treppe hinauf. In seine Frühlingsgefühle mischte sich unendliche Müdigkeit. Er riss in allen Zimmern die Fenster auf und ließ frische Luft herein. Von der Küche aus sah er zum Kandel hinüber. Seine Kuppe hatte das Weiß des Winters fast abgestreift. Die Spätnachmittagssonne ließ die Scheiben des Berghotels aufblitzen. Kaltenbach hielt einen Moment inne, dann ging er zurück auf den Flur und zog Jacke und Schuhe aus. Vor seinem Plattenregal blieb er kurz stehen und zog eine Scheibe heraus.
    »Sun is shining, weather is sweet … «
    Der karibische Rhythmus breitete sich im Zimmer aus und ließ sein Herz höher schlagen. Bob Marley war der größte.
    »… makes ya wanna move ya dancin’ feet!«
    Heute Abend würde er etwas Feines kochen. In der Küche und im Kühlschrank warteten die Einkäufe vom Wochenmarkt. Ein raffinierter Auflauf vielleicht? Eine Pasta mit frischen Gewürzen? Oder doch etwas Aufwendigeres mit Fisch …
    Sein Blick fiel auf das Paket, das auf dem Tisch vor dem Fernseher stand. Luise hatte es mitgebracht, als sie ihn zum Friedhofsbesuch abholte. »Ein kleines Dankeschön«, hatte sie gesagt. »Aber erst heute Abend aufmachen. Mit Vorsicht!«
    Kaltenbach riss das hellbraune Packpapier auf. Darunter kam ein türkisfarbenes Tuch zum Vorschein, das er langsam zur Seite zog. Die filigrane Elfe aus dem
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