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Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall

Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall

Titel: Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall
Autoren: Gmeiner-Verlag
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bleiben. Dann schritt er langsam um die Flammensäule herum.
    Blaschke hatte es wahr gemacht. Das Symbol des Lebens, der Auferstehung, der Liebe, Leitbild der gesamten abendländischen Kultur, geschändet von der zerstörerischen Wucht des Feuers. Ein Fanal des Todes.
    Und der letzte Beweis für seinen Wahn. Kaltenbach kam jäh wieder zu sich. Wo war Luise? Nach allen Seiten hin war niemand zu sehen. Rings um das Kreuz breitete sich die weite Schneefläche aus. Im Halbdunkel sah er ein paar Weidezäune, ein paar Schritte entfernt die beiden Bänke, den Sockel mit der Metallrosette und den Himmelsrichtungen, ein wenig entfernt den alten Stein, der einst die Grenze zwischen Baden und Vorderösterreich markierte. Im Osten und Norden schoben sich die dunklen Abendwolken immer weiter zusammen. Nach Westen hin riss die graue Masse dagegen weiter auf. Kaltenbach sah, wie die Sonne sich zusehends zum Horizont hinuntersenkte.
    Ohne nachzudenken, rannte er los. Wenn Blaschke irgendwo hier oben war, musste er im Westen sein, dort, wo er den Gang der Sonne am längsten verfolgen konnte, dort, wo in ein paar Minuten über dem Elsässer Belchen die goldene Himmelsscheibe hinuntersinken würde.
    Kaltenbach ignorierte seine schmerzenden Beine und die brennenden Lungen. Es war reine Willenskraft, die ihn jetzt vorwärtstrieb. Er trat auf einen losen Stein unter dem Schnee, wankte, fing sich wieder, stolperte erneut, stürzte, rappelte sich wieder auf, stürzte erneut.
    Von der Stelle aus, an der der Weg sich abwärts wandte, sah er sie. Schräg unterhalb, auf einem etwa 30 Meter hinausragenden Felsvorsprung, erkannte er die dunkle Silhouette zweier Gestalten, die sich im Licht der untergehenden Sonne abzeichneten. Beide bewegten sich nicht. Kaltenbach schlich langsam näher. Der untere Rand der Sonnenscheibe berührte in diesem Moment weit hinter der Rheinebene den Bergkamm der Vogesen. Gleichzeitig richtete sich die größere der beiden Gestalten hoch auf und hob die Arme weit ausgebreitet zum Himmel.
    Der Hagere stand in derselben Haltung wie an Peters Grab. Kaltenbach hörte eine Art Sprechgesang. So leise wie möglich näherte er sich ihnen auf dem schmalen Weg, der zu beiden Seiten steil abfiel. Als er bis auf 20 Meter herangekommen war, erkannte er Luise. Sie kniete neben Blaschke auf dem Boden, die Hände vor der Brust gekreuzt und den Blick starr nach vorn gerichtet.
    Wie ein keltischer Druide war Blaschke ganz in Weiß gekleidet. Ein langer, wollener Umhang bedeckte ihn vom Hals über die Arme bis zum Boden. Eine silberne Kordel war um seine Hüfte geschlungen, darin steckte ein reich verzierter Dolch. In der linken Hand hielt er den Großen Torques, die rechte war leer. Seine langen Haare waren offen und bewegten sich im Abendwind. Auf dem Kopf trug er ein großes Geweih, an dessen Enden schmale weiße Bänder flatterten.
    Auch Luise war weiß gekleidet. Sie trug eine Art Toga, Beine und Arme waren nackt. Um ihre blonden Haare trug sie einen Kranz aus Mistelzweigen.
    Immer näher schob sich Kaltenbach heran. Die Sonne war in den letzten beiden Minuten etwa zur Hälfte hinter dem Horizont untergetaucht. Der Druide unterbrach seinen Gesang, nahm den rechten Arm herunter und griff zu dem Dolch in seinem Gürtel.
    Kaltenbach war jetzt so weit herangekommen, dass er den Mann mit einem Sprung erreichen konnte. Blaschke war größer und hatte eine Waffe. Wenn er ihn überrumpeln wollte, blieb nur die Überraschung. Doch er durfte Luise nicht gefährden, die am Rande des kleinen Plateaus nur eine Handbreit vom Abgrund entfernt kauerte.
    Mit einer raschen Bewegung zog sich der Druide plötzlich die Dolchklinge über den Arm, der den Torques hielt. Sofort quollen dicke Blutstropfen heraus. Er beugte den Arm über Luise, sodass ihr das Blut von der Stirn über das Gesicht lief. Immer noch verzog sie keine Miene. Bis auf einen schmalen goldenen Rand war die Sonne fast ganz hinter den Bergen verschwunden. Blaschke hob den Dolch und holte aus.
    Mit einem wilden Schrei stürmte Kaltenbach vorwärts. Von hinten umklammerte er seinen Hals und fasste gleichzeitig das Handgelenk hinter dem Messer. Doch der Hagere hatte die Überraschung schnell überwunden. Er bäumte sich mit aller Macht auf und bekam seinen rechten Arm frei. Mit wilden Bewegungen stach er nach hinten. Kaltenbach schrie auf, als ein heftiger Schmerz seinen Oberschenkel durchzuckte. Verzweifelt versuchte er, Blaschkes Hals noch fester zuzudrücken. Er begann zu röcheln und
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